Bestandsbeschreibung
Abt. 199/18 Sammlung Rudi Stephan
Laufzeit: 1891 - 1991
Umfang: 9 Archivkartons, 3 Mappen, 3 Sonderformate (= 668 Verzeichnungseinheiten =
1,5 lfm)
Auf eine Kurzbiografie des Komponisten Rudi Stephans (1887-1915) wird an dieser Stelle
verzichtet, da die Sammlung zahlreiche Abrisse über sein Leben enthält.
Der vorliegende Bestand Abt. 199/18 umfasst als Sammlung Unterlagen über den Komponisten
Rudi Stephan, seine Person und sein musikalisches Werk. Es sind darin echte Nachlassstücke
enthalten, darunter Partituren, Drucke usw., vorwiegend jedoch Korrespondenzen, die
mit der Veröffentlichung und den Aufführungen seiner Werke in Zusammenhang stehen,
Programme, Zeitungsausschnitte und verschiedene Abhandlungen etc. Die Sammlung Rudi
Stephan wurde über Jahrzehnte durch weitere Abgaben unterschiedlicher Provenienzen
bereichert und ergänzt.
Der eigentliche, im Besitz der Familie Stephan befindliche Nachlass des Komponisten
(1887-1915) ist bei der Zerstörung des ‚Bergklosters' (Domizil von Bibliothek und
Archiv bis 1945) noch vor der eigentlichen Übernahme in das Stadtarchiv vernichtet
worden. Ende der 1930er Jahre hatten die Familienangehörigen Rudi Stephans den Nachlass
im Bergkloster, einem Gebäude der Stadtbibliothek deponiert, um Alfred Machner/Breslau
die Gelegenheit zu geben, an seiner Dissertation "Rudi Stephans Werk" zu arbeiten
(S. Abt. 199/18 Nr. 150a und Nr. 150b; Korrespondenz betr. die Dissertation s. Klassifikationsgruppe
5.). Umfang und Inhalt des damaligen Nachlasses kann man heute nur noch anhand dieser
Dissertation, in deren Anhang der Nachlass aufgeführt wird, erschließen. Gleichzeitig
sind aus dieser Aufstellung die musikalischen Pläne des Komponisten und das, was er
als Skizzen vorliegen hatte zu ersehen.
Die noch erhaltenen gedruckten Werke, Noten, Briefe, Bildmaterial und Abhandlungen
über Stephan verschiedenster Provenienz wurden seit den 1960er Jahren in Verbindung
mit der 1965 im städtischen Museum Worms durchgeführten Ausstellung zum 50jährigen
Gedenken an Rudi Stephans Tod gesammelt. Für diese Ausstellung stellte der aus Worms
stammende Musikwissenschaftler Dr. Karl Holl [1892-1975; Studium in München u. Bonn,
Mitarbeiter an der Odenwaldschule in Oberhambach, 1918-1943 Musikkritiker der Frankfurter
Zeitung, 1945 kommissarischer Leiter der Frankfurter Oper, dann 1946-1958 Dezernent
für Theater, Musik und Filmwesen im hess. Kultusministerium], der auch die Eröffnungsansprache
hielt, wertvolle Leihgaben zur Verfügung (u.a. seltene Drucke und Handschriften der
Werke Stephans). Diese überließ er 1967, als er seinen Wohnsitz in die Schweiz nach
Hergiswil verlegte, als großzügige Schenkung dem Stadtarchiv für die Sammlung Rudi
Stephan.
Holl hatte sich nach Rudi Stephans frühem Soldatentod intensiv um dessen kompositorischen
Nachlass gekümmert, sich um die Aufführung und die Veröffentlichung seiner Werke bemüht.
Beide waren Schüler des Wormser Gymnasiums (heute Rudi-Stephan-Gymnasium), hatten
Prof. Heinrich Diehl als gemeinsamen Lehrer und Mentor. Zu einem persönlichen Kontakt
zwischen Stephan und dem fünf Jahre jüngeren Holl kam es jedoch erst in München, als
Holl nach dem Abitur (1910) dort sein Studium (stud. phil u. mus.) aufnahm. Es entwickelte
sich ein kameradschaftliches Verhältnis, Stephan machte Holl mit seinen Kompositionen
bekannt und führte mit diesem rege fachliche Diskussionen, z.B. über musikästhetische
Fragen (Näheres zur Beziehung Holl/Stephan s. Abt. 199/18 Nr. 42 und Nr. 47 sowie
Abt. 6/ Archivregistratur Nr. 91).
Den nächsten bedeutenden Zuwachs erhielt die Sammlung Rudi Stephan im Jahr 1980 durch
die Abgabe von Frau Maria Helene Stephan (+1981), Schwägerin Rudi Stephans. Sie überließ
dem Stadtarchiv Original-Feldpostkarten des Komponisten an seine Eltern und seinen
Bruder Kurt, Fotografien und insbesondere die Originalpartitur der "Musik für sieben
Saiteninstrumente" (Abt. 199/18 Nr. 340). Unmittelbar nach dieser Übernahme wurde
der Bestand detailliert verzeichnet und umfasste zu diesem Zeitpunkt 340 Verzeichnungseinheiten.
Probleme ergaben sich bei einigen Unterlagen wegen fehlender Datierung - in diesen
Fällen wurde versucht, das Jahr einzugrenzen. Bei anderen Stücken, meist Korrespondenzen,
konnte eine Sachthematische Zuordnung innerhalb der Klassifikation nicht eindeutig
erfolgen. Hier wurden durch Verweise Zusammenhänge und Bezüge hergestellt.
In den Folgejahren wurde die Sammlung weiterhin ergänzt. Da es sich im Wesentlichen
um Material über bzw. zu Veranstaltungen mit Werken Rudi Stephans handelte - hier
sind besonders die Veranstaltungen im Jahr 1983 in Hamburg und Berlin zu nennen -
wurde dieses hauptsächlich der entsprechenden Klassifikationsgruppe "Veranstaltungen
zum Gedenken an Rudi Stephan" hinzugefügt. Eine weitere Klassifikationsgruppe wurde
für Tonträger (Schallplatten, CDs) gebildet. Als besonderer Zuwachs zur Sammlung ist
der Taktstock Rudi Stephans hervorzuheben, der im November 1981 durch den damaligen
Direktor des Rudi-Stephan-Gymnasiums Worms, Herrn Josef Mattes, an das Stadtarchiv
übergeben wurde (Abt. 199/18 Nr. 358).
Im Jahr 2009 wurde der Bestand Abt. 199/18 in das Archivprogramm augias konvertiert.
Im Zuge dieser Maßnahme wurde entschieden, den 1984 für eine Abgabe von Herrn Dr.
med. Karl Holl aus dem Nachlass seines Vaters Dr. Karl Holl gebildeten Nachlassbestand
Abt. 199/27 (vgl. hierzu Korrespondenz in Abt. 6 - Archivregistratur Nr. 91) in die
Sammlung Rudi Stephan zu integrieren. Ausschlaggebend für diese Überlegung war zum
einen die Tatsache, dass schon in den1960er Jahren frühe Korrespondenz Holls sowie
insbesondere eine Schenkung aus seinem Besitz an das Stadtarchiv abgegeben und in
die Sammlung eingeflossen waren und zum anderen die tatsächlich vorliegende thematische
Verknüpfung der Bestände. Über die Altsignatureingabe einerseits und die Voranstellung
eines "H/" (für "Holl") bei der Nummernvergabe für die Verzeichnungseinheiten wurde
die ursprüngliche Zugehörigkeit zu Abt. 199/27 nachvollziehbar erhalten. Allerdings
kann sich diese Signaturvergabe nur auf die 2009 durchgeführte Vereinigung der Bestände
beziehen, die vorherige Durchmischung des aus Holl'scher Provenienz stammenden Materials
konnte nicht mehr schlüssig nachvollzogen werden. Die Klassifikation der Abt. 199/18
wurde dem Zuwachs angepasst und leicht modifiziert.
Inzwischen ist die Sammlung Rudi Stephan auf 668 Verzeichnungseinheiten angewachsen.
Die Laufzeit umfasst von 1891 bis 1991 eine Zeitspanne von 100 Jahren. Mit der letzten
Verzeichnungsmaßnahme (augias, Eingliederung von Abt. 199/27) wurden die Unterlagen
der Sammlung auch nach konservatorischen Aspekten umgebettet und gelagert. In manchen
Fällen liegen Originale und Kopien/Abschriften vor, so dass für die einfache Benutzung
aus konservatorischen Gründen die Reproduktionen vorgelegt werden.
Worms, Dez. 2010 - Margit Rinker-Olbrisch
Ergänzende Bestände:
· Stadtarchiv Worms Abt. 186: einzelne Briefe Rudi Stephans an Ludwig C. Freiherr
von Heyl
· Stadtarchiv Worms Abt. 215
· Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg Frankfurt/Main, Musik- und Theaterabteilung:
Nachlass Karl Holl
· Staatsbibliothek Berlin Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv:
Sammlung Karl Holl
· Akademie der Künste, Berlin: Musikarchiv - Heinz Tiessen Archiv [Korrespondenz Tiessen
- Stephan, Reproduktionen im Bestand]
Ausgewählte Literatur:
· BRAND, Juliane, The Music of Rudi Stephan, Phil. Diss. Yale University, 1991 (maschr.)
· BRAND, Juliane, Rudi Stephan, Tutzing 1983
· BRAND, Juiane, "Ein problematisches Hauptwerk. Über Rudi Stephans Oper 'Die ersten
Menschen'", in: Oper in Hamburg 1982/83, Jahrbuch X der Hamburgischen Staatsoper,
Hg. Peter Dannenberg, Hamburg 1983, S. 115-121
· EDSCHMID, Kasimir, "Erinnerungen", in: Frankfurter Zeitung 60/278 (7.10.1915)
· EDSCHMID, Kasimir, "Rudi Stephan +", in: Zeit-Echo II (1915/1916), S. 27f.
· HOLL, Karl, Rudi Stephan. Studie zur Entwicklungsgeschichte der Musik am Anfang
des Zwanzigsten Jahrhunderts, Saarbrücken 1920
· HOLL, Karl, "Rudi Stephan", in: Rheinische Musik- und Theaterzeitung 18 (1916)
· KAUDER, Hugo, "Rudi Stephans Lieder", in: Anbruch III/11 (Juni 1921), S. 196 ff.
· KRIEGBAUM, Günther/MATTES, Gertraude, "Rudi Stephan und seine Zeit. Dokumentation
einer Ausstellung", in: Humanitas. Mitteilungsblatt des Rudi-Stephan- Gymnasiums Worms
33 (Okt. 1987), Worms 1987, S. 20-61
· LEHR, Hartwig, Rudi Stephans "Musik für Orchester", Wissenschaftliche Hausarbeit
für die erste Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien, Frankfurt a.M. 1976 (maschr.)
· LEHR, Hartwig, "Musik für…". Untersuchungen zum Werk Rudi Stephans (= musicologica
berolinensia, Band 2, Berlin 1996) [mit zahlreichen weiterführenden Literaturangaben]
· LEHR, Hartwig, "Rudi Stephan - ein vernachlässigter Seitenpfad in der Musik", in:
Zu Unrecht vergessen. Künstler im München des 19. Und 20. Jahrhunderts (= Kleine Bibliothek
der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Band 3, Göttingen 2009)
· MACHNER, Alfred, Rudi Stephans Werk. Eine Beschreibung als Studie zur Stilwende
in der Musik um 1910, Phil. Diss. Universität Breslau 1943
· MACHNER, Alfred, "Zwischen Gestern und Heute - Ein Wort für Rudi Stephan", in: Musica
8 (1954), S. 9 - 12
· McCREDIE, Andrew D., "The Munich School and Rudi Stephan (1887-1915). Some forgotten
Sources and Byways of musical Jugendstil and Expressionism", in: The Music Review
24 (1968), S. 197 - 222
· OEHLMANN, Werner, "Der Musiker Rudi Stephan", in: Musica 1 (1947), S. 166 - 170
· REUTER, Fritz, "Rudi Stephan (1887-1915) - ein Wahrsager oder Vorverkünder? Zu Leben
und Werk des Wormser Komponisten", in: Humanitas. Mitteilungsblatt des Rudi-Stephan-Gymnasiums
Worms 33 (Okt. 1987), S. 3 - 20
· SCHMULLER, Alexander, "Rudi Stephan en zijn werk", in: Over Muzieck en musici, Hg.
Rudolf Mengelberg, Amsterdam (1933), S. 116-121
· SCHUBERT, Giselher, "Erinnerungen an Rudi Stephan. Sein Beitrag zur Musik um die
Jahrhundertwende", in: Neue Zürcher Zeitung 248 (22./23.10.1977)
· SCHUBERT, Giselher, "Rudi Stephan und die Musik der Jahrhundertwende", in: Visionen
und Aufbrüche. Zur Krise der modernen Musik 1908-1933, Hg. Günther Metz, Kassel 1994
(= Hochschuldokumentationen zu Musikwissenschaft und Musikpädagogik, Musikhochschule
Freiburg Band 5)
· TIESSEN, Heinz, Wege eines Komponisten, Berlin 1962, Akademie der Künste