Bestandsbeschreibung
Abt. 170/36 Nachlass-Splitter Ludwig Pfungst
Umfang: 7 Archivkartons (= 68 Verzeichnungseinheiten = 1 lfm)
Laufzeit: 1800- 1922
1. Erwerb und inhaltliche Schwerpunkte des Bestandes
(Gerold Bönnen)
Das Institut für Stadtgeschichte/Stadtarchiv Frankfurt a. M. machte den Leiter des
Stadtarchivs im November 2006 auf die Existenz eines sechs Kartons umfassenden, unverzeichneten
Bestandes mit Unterlagen zu dem jüdischen Lederhändler bzw. späteren Rentner Ludwig
Pfungst aus dem 19. Jahrhundert aufmerksam. Der Bestand, vor allem Immobilien betreffende
Urkunden und notarielle Zeugnisse für Besitzfragen im Gebiet um Worms und in der Pfalz,
war ohne Bezug zu Frankfurt, weshalb das Archiv den Kollegen in Worms eine Abgabe
nach dort anbot. Aufgrund der Bedeutung der Familie und der Möglichkeit, Besitz- und
Vermögensverhältnisse der Pfungsts im Raum Worms und südlich davon dokumentieren zu
können, wurde eine Verbringung des Bestandes in das Stadtarchiv vereinbart, wo die
Dokumente nach ihrer Verzeichnung der lokalen und regionalen Forschung zur Verfügung
stehen.
Die Unterlagen wurden vom Archivleiter Dr. Bönnen am 6.12.2006 in Frankfurt abgeholt
(vgl. Übernahmequittung, Zug.buch Nr. 26/2006) und erhielten hier die Signatur Abt.
170/36. Damit sind die aus dem Zeitraum von ca. 1800 bis 1910 (Schwerpunkt nach erster
Sichtung ca. 1850 bis 1885) stammenden Akten zu Verkäufen, Versteigerungen u.a. Besitztransaktionen
(v.a. in der Pfalz und im räumlichen Umfeld von Worms) in die Nachlässe eingereiht,
obwohl es sich streng genommen nur um einen kleinen Nachlass-Splitter des Ludwig Pfungst
und seiner Familie handelt. Die Herkunft des seit mindestens zwanzig Jahren in Frankfurt
vorhandenen Materials ist für die dortigen Archivare nach mündlicher Auskunft bei
der Übergabe unbekannt, genauere Informationen über den Bestand liegen dort nicht
vor.
2. Zur Person / Familie
(Margit Rinker-Olbrisch)
Ludwig Joseph Pfungst wurde am 4. Februar 1842 in Worms geboren. Seine Eltern waren
Isaak Löb Pfungst, Handelsmann aus Darmstadt und Johanna Cannot.
Am 27. Dezember 1831 (StadtA WO Abt. 5 Nr. 1063) reichte Isaak Pfungst (* 14.8.1801
in Darmstadt, Eltern: Loeb Moses Pfungst, Militärkommissionär und Wilhelmine geb.
Weil) sein Gesuch um Bürgeraufnahme in Worms ein. Aus diesem geht hervor, dass er
sich bereits mit Johanna Cannot, Tochter der in Worms wohnhaften Lederhändlerin Aron
Cannot Wwe. ehelich versprochen habe und beabsichtige, sich in Worms niederzulassen.
Die Wwe. sei alt und habe beschlossen, das bestehende Lederwarengeschäft an die ledige
Tochter (Johanna; die andere Tochter lebt in Mainz), die dieses schon seit vielen
Jahren leite und betreue, zu übergeben. Durch dieses seit vielen Jahren bestehende
und ziemlich bedeutende Lederwarengeschäft, so Pfungst, zusammen mit seinem eigenen
Vermögen -laut Heiratsvertrag- von 2000 Gulden glaube er der Stadt ein nützlicher
Bürger zu sein.
Am 18. Januar 1832 wurde er als Bürger angenommen und in das Bürgerverzeichnis eingetragen
(StadtA WO Abt. 5 Nr. 5728). Wenige Tage später, am 26.1.1832 wurde die Ehe des Isaak
Löb Pfungst mit Johanna Cannot (* 30.4.1802 in Worms, Eltern: Lederhändler Aron Cannot
und Eva geb. Isaak ) in Worms geschlossen. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor,
Ludwig Joseph (* 4. Feb. 1842 Worms) und August (* 27. Aug. 1834 Worms, 4. Feb. 1836
Worms). Isaak Pfungst lebte mit seiner Familie (laut Adressbuch von 1832) in der Judengasse
Lit. E No. 72: Dieses Haus gehörte vorher seiner Schwiegermutter, der Wwe. Aron Cannot,
die außerdem die Häuser Lit E No. 70 und No. 73 besaß. Eva Cannot geb. Isaak, in Gundersheim
geboren war, starb am 22. Aug. 1839 in Worms.
Im Jahr 1834 besaß Isaak Pfungst ein zweistöckiges Wohnhaus in der Mathildenstraße
(StadtA WO Abt. 5 Nr. 8004; Lit D No. 20, entspricht später Lit D 54, dann Römerstr.
52). In diesem Haus wohnte nicht nur die Familie (Aron und Johanna Pfungst mit Sohn
Ludwig), sondern um 1842 (StadtA WO Abt. 5 Nr. 6239) auch der Knecht Zacharias Hirsch
(23 Jahre, aus Ludwigshöhe), die Magd Eva Ludwig (28 Jahre, aus Bobstadt) und die
Magd Hellena Anweiler (42 Jahre, aus Koblenz). Im Jahr 1866 wurden neben dem zweistöckigen
Wohnhaus noch eine Scheuer, Stall und Schuppen sowie eine Remise gegen Brand versichert
(StadtA WO Abt. 5 Nr. 8004).
Hier lebte Ludwig Joseph Pfungst bis Ende März 1901, als er Worms ohne Abmeldung nach
Frankfurt am Main verließ. Das Geschäft, dass unter "Isaak Pfungst Wwe." firmierte,
wurde wie im Gewerbetagebuch registriert (StadtA WO Abt. 5 Nr. 5935), am 20.3.1901
abgemeldet. Laut Feuerversicherungsbuch der Stadt Worms (StadtA WO Abt. 5 Nr. 8021)
war zunächst Isaak Pfungst als Eigentümer des Hauses Römerstr. 52 eingetragen, 1907
ist es Ludwig Joseph Pfungst, Frankfurt a.M.. Am 1. April 1910 ging das frühere Pfungst'sche
Haus von der Stadt Frankfurt a.M. in den Besitz der Firma H. Lampe u. Co. G.m.b.H.
in Worms über und wurde renoviert. Dieser Text befand sich auf einer Tafel, die an
dem Haus in der Römerstraße angebracht war (Fotoarchiv Neg.Nr. 1769/15).
Ludwig Pfungst war von Januar 1899 bis 1901 für die Freisinnige Partei Mitglied der
Stadtverordnetenversammlung und bereits 1898 als einer der Mitbegründer der freisinnig
orientierten Wormser Volkszeitung hervorgetreten. Er verzog 1901 nach Frankfurt/M.
und vermachte der Stadt sein Vermögen und seine Kunstsammlung, die daraus die städtische
Galerie errichtet hat (wird heute vom Städelschen Kunstinstitut mitverwaltet). Schon
1874 hatte er - bezeichnend für seinen politischen Standort - der Stadt Worms zum
Gedenken an seinen Vater die Errichtung einer Schulstiftung angeboten, die konfessionsfrei
und pazifistisch ausgerichtet sein sollte; diese wurde von den Stadtverordneten allerdings
so nicht angenommen. Pfungst agierte in dem kurzen Zeitraum, in dem er politisch aktiv
war, als recht streitbar und unkonventionell. Es kann als sicher gelten, dass die
Unterlagen im Zusammenhang des Wegzugs von Worms nach Frankfurt verbracht worden sind.
3. Abschließende Bearbeitung
(Anna Noll)
Bei der Verzeichnung des Bestandes wurden innerhalb der vorherigen Karton-Einheiten
weitere Unternummern vergeben. Hierin wurden jeweils notariellen Akte nach ihrer Art
(z.B. Kaufverträge, Zessionen, Steigbriefe, Obligationen und Hypotheken) oder nach
Personen, sofern in mehreren Urkunden eine Person als Vertragspartner genannt, zusammengefasst.
Es handelt sich bei den Akten überwiegend um Urkunden- und Vertragsabschriften für
Ludwig Joseph Pfungst bzw. Isaak Pfungst und umfassen einen Zeitraum von 1800 bis
1922.
Bei jeder Verzeichnungseinheit werden Vertragsgegenstand, Vertragspartner, Wohnort
derselben und Ausstellungsjahr aufgeführt.
Unter den notariellen Unterlagen fand sich mit der Rede anlässlich der Konfirmation
von Joseph Ludwig Pfungst nur eine privat/persönliche Überlieferung (Abt. 170/36 Nr.
6/9).
Stadtarchiv Worms
(Hintere Judengasse 6, D - 67547 Worms, stadtarchivworms.de)
Stadtarchiv Worms