Zusammenfassung
Die Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) wurde im September 1948 auf Beschluss
des Parteivorstandes (PV) der SED gebildet. Ihre Mitglieder und Kandidaten wurden
vom PV bzw. Zentralkomitee (ZK) berufen.
Dokumentiert sind u. a. die politische Arbeit von Parteimitgliedern in der Emigration
vor 1945 und in Arbeiterorganisationen in Deutschland vor 1933, das Verhalten von
Parteimitgliedern in Konzentrationslagern während der NS-Zeit, der antifaschistische
Widerstandskampf, politische Aktivitäten in der SBZ/DDR, Überprüfungen von Parteimitgliedern
und Vorkommnisse in Institutionen und Organisationen der DDR sowie Protokolle von
Sitzungen der ZPKK.
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Zusammenfassung:
1. Geschichte des Registraturbildners
Im Zuge der Stalinisierung der SED beschloss ihr Parteivorstand (PV) im September
1948 eine Zentrale Parteikontrollkommission (ZPKK) nach sowjetischem Vorbild zu schaffen.
Die ZPKK setzte sich zunächst aus neun hauptamtlichen Mitgliedern und drei ehrenamtlichen
Kandidaten zusammen. Die Mitglieder und Kandidaten der ZPKK wurden während der gesamten
Zeit ihres Bestehens vom gewählten PV bzw. vom Zentralkomitee der SED (ZK) berufen.
Vorsitzende der ZPKK waren von 1948 bis 1950 paritätisch Otto Buchwitz (bis 1946 SPD)
und Hermann Matern (bis 1946 KPD), der zugleich Mitglied des Zentralsekretariats war
und diese Funktion von Januar 1950 (nach der Aufhebung der paritätischen Besetzung
von Parteifunktionen) bis zu seinem Tod im Jahr 1971 allein bekleidete. Von Juni 1971
bis November 1989 war Erich Mückenberger ihr Vorsitzender. Er wurde im November 1989
von Werner Eberlein abgelöst.
Der ZPKK nachgeordnet waren die Bezirks- (bzw. bis zur Verwaltungsreform 1952 die
Landesparteikontrollkonmmissionen) und Kreisparteikontrollkommissionen der SED, die
an die Weisungen der ZPKK gebunden und ihr gegenüber berichtspflichtig waren.
Wichtigstes Instrument war die Verhängung von Parteistrafen für Parteimitglieder,
die in der Regel von der offiziellen Parteipolitik abweichende Auffassungen vertraten
bzw. auch kriminelle Handlungen begingen.
2. Zugang ins Archiv
Mit der Unterzeichnung des Einbringungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland
und der PDS am 29. Dezember 1992 waren - ungeachtet unterschiedlicher Eigentumspositionen
- die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, dass die Stiftung Archiv der Parteien
und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO) ihre Arbeit aufnehmen konnte.
So gelangten im Januar 1993 gemeinsam mit dem anderen SED-Schriftgut aus dem Zentralen
Parteiarchiv der SED (ZPA) die bearbeiteten und unbearbeiteten Materialien der Zentralen
Parteikontrollkommission der SED in die Zuständigkeit der Stiftung.
Die Akten dieses Teilbestandes waren bis Ende 1992 sämtlich als gesperrt eingestuft
und somit in der Regel von jeglicher Nutzung für die wissenschaftliche Forschung ausgeschlossen.
Bis Anfang 1990 befanden sich die Magazinräume im Gebäude des Zentralkomitees der
SED am Marx-Engels-Platz in Berlin-Mitte (heute am Werderchen Markt, vom Auswärtigen
Amt genutzt). Die Akten mussten für die Benutzer und Archivare durch das Stadtzentrum
zum ZPA im Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED in der Wilhelm-Pieck-Straße
(heute Torstraße) transportiert werden. Die Magazinräume im Haus des ZK der SED zu
betreten war nur einem sehr kleinen, festgelegten Personenkreis gestattet, zu welchem
die Archivmitarbeiter in der damaligen Wilhelm-Pieck-Straße in der Regel nicht zählten.
Seit 1993 erfolgt die Auswertung der Bestände der SAPMO auf der Grundlage des Stiftungserlasses
(§ 4) sowie der Bundesarchiv-Benutzungsverordnung und des Bundesarchivgesetzes (§
2a, Abs. 4).
Die 30-jährige Schutzfrist für die Überlieferung der Parteien und Massenorganisationen
der DDR wurde aufgehoben und lediglich für Archivgut, das sich auf natürliche Personen
bezieht, eine 30jährige Schutzfrist nach dem Tod festgeschrieben (vgl. § 4, Abs. 3
des Stiftungserlasses). Davon ist ein nicht unernehblicher Teil der Überlieferung
der ZPKK betroffen. Die Auswertung dieser Akten ist deshalb an Auflagen gebunden.
Die Bewertung und Erschließung der Akten für den Zeitraum von 1948 bis 1971 erfolgte
von Gerlinde Radczun und Erich Woitinas im Zentralen Parteiarchiv der SED. Die Überlieferung
ab 1972, einschließlich relativ umfangreicher Bestandsergänzungen, wurde von Solveig
Nestler, unter Mitarbeit von Elisabeth Nicpon, Petra Ritter und Andreas Diehl in der
SAPMO verzeichnet. Die letzten Ergänzungen erfolgten im Jahr 2009.
3. Bestandsinformation
Der ZPKK oblag entscheidende Verantwortung bei der Ausrichtung der SED zu einer "Partei
neuen Typs", da die SED in ihren Reihen nicht nur Mitglieder der KPD und SPD vereinigte
(die nicht selten im Verdacht standen, Kontakte zum Ostbüro der SPD zu unterhalten),
sondern auch Angehörige ehemaliger "oppositioneller" Gruppierungen und Parteien, wie
der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei (USPD), der Sozialistischen Arbeiterpartei
Deutschlands (SAPD), der Kommunistischen Partei Deutschlands-Opposition (KPD-O), der
Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands (KAPD) und des Leninbundes.
Überprüft wurden alle Bereiche und Ebenen des Partei-, Staats- und Wirtschaftsapparates.
Dabei arbeitete die ZPKK eng mit staatlichen Stellen zusammen, u. a. mit dem Ministerium
für Staatssicherheit, dem Generalstaatsanwalt, der Zentralen Kommission für Staatliche
Kontrolle (ZKSK) und der Hauptverwaltung der Deutschen Volkspolizei (HVDP). Die Ergebnisse
der Überprüfungen und Untersuchungen im Partei-, Staats- und Wirtschaftsapparat mussten
dem Sekretariat des ZK zur Beschlussfassung vorgelegt werden.
Die technisch-organisatorischen Aufgaben übernahm das Büro der ZPKK. Als nachgeordnete
Kontrollorgane zur Umsetzung des Führungsanspruchs der SED und der Disziplinierung
der Parteimitglieder wirkten die Bezirksparteikontrollkommissionen (BPKK) - bis Mitte
1952 Landesparteikontrollkommission (LPKK), die Kreisparteikontrollkommissionen (KPKK)
sowie die Leitungen der Grundorganisationen (GO) in allen Bereichen des gesellschaftlichen
Lebens der DDR.
In der Überlieferung der ZPKK wird sehr gut die Tätigkeit der ZPKK in der Zeit der
"einheitlichen ideologischen Ausrichtung aller SED-Mitglieder" von 1949 bis zum Ende
der 50er Jahre gut dokumentiert. Überliefert sind Befragungen u. a. zur politischen
Arbeit in der Emigration vor 1945 in verschiedenen Ländern und in Arbeiterorganisationen
vor 1933 in Deutschland, zum Verhalten von Parteimitgliedern in Konzentrationslagern
während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sowie Informationen
über den antifaschistischen Widerstandskampf.
Die Quellen geben des Weiteren Auskunft über politische Aktivitäten in den Ländern
der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), auch über das Ostbüro, über personelle Probleme
beim Aufbau der zentralen Verwaltungsorgane, Verlage, gesellschaftlichen Organisationen,
Wirtschafts- und Kultureinrichtungen in der SBZ/ DDR. Auch die in der SED-Führung
beschlossene Überprüfung der Vergangenheit aller Parteimitglieder und Kandidaten sowie
die damit im Zusammenhang stehende Aushändigung neuer Mitgliedsbücher und Kandidatenkarten
im Jahr 1951 ist gut belegt.
Für den gesamten Zeitraum von 1948 bis 1989 überliefert sind Protokolle von Sitzungen
der ZPKK, von Arbeitstagungen mit Vorsitzenden und Vertretern der Bezirks- und Kreisparteikontrollkommissionen
sowie sporadisch Berichte aus den Bezirken und Kreisen.
Ergänzendes Schriftgut befindet sich insbesondere im Büro Erich Mückenberger (für
die Jahre 1971 bis 1989), des Weiteren im den SED-Teilbeständen Zentralsekretariat,
Sekretariat des ZK, Politbüro, Tagungen des ZK, in den Büros Ulbricht und Honecker,
der Abteilung Kaderfragen, der Abteilung Parteiorgane sowie in den Nachlässen von
Walter Ulbricht und Wilhelm Pieck.
Zu bestellen sind die Akten unter Angabe der Bestandssignatur und der Bandnummer (DY
30/IV 2/4/... bzw. DY 30/IV A 2/4/... sowie DY 30/...) . Die Zitierweise lautet: SAPMO-BArch,
DY 30/IV 2/4/ Nummer des Aktenbandes.
Solveig Nestler