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Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel des ZK der SED

1953-1989 Reference: DY 30 View in original presentation

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Germany
Bundesarchiv

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Bernd Schlüter
2008
Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv
(Berlin)

Scope and content

Zusammenfassung

Die Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel unterstand als wirtschaftspolitische Abteilung dem Büro Werner Jarowinsky des ZK. Der Bestand ist von grundlegender Bedeutung zur Untersuchung von Versorgungsstrukturen in der DDR. Er beinhaltet Informationen zum Konsumgüterbinnenhandel und Dienstleistungswesen sowie zu Bereichen des Außenhandels.

Kopfzeile

Kurzbeschreibung:

Das überlieferte Schriftgut, welches in der Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel entstand, umfasst den Zeitraum von 1953 bis 1989. Es wurde in drei großen Teilen zu unterschiedlichen Zeitpunkten an das Zentrale Parteiarchiv der SED (ZPA) abgegeben und archivisch bearbeitet. Bereits 1971 (Übernahme aus der Altregistratur 1964) erfolgte im ZPA die Bewertung und Erschließung des ersten Teils (8,25 lfm), der die Arbeit der Abteilung der Jahre 1953-1962 dokumentiert. Dieser Teilbestand setzt sich aus 238 Akten zusammen und erhielt nach den geltenden Regelungen des ZPA die Signatur IV 2/6.10. Der zweite Teil dokumentiert den Zeitraum von 1963 bis 1971 und wurde 1984 (Übernahme aus der Altregistratur 1968-1978) erschlossen (353 AE). Dessen Signatur lautet IV A 2/6.10. Da heute der gesamte Bestand SED unter der Bestandssignatur DY 30 zu finden ist, wurde die genannte bisherige Signatur nur angefügt, so dass folgende aktuelle Signaturen gelten: DY 30/ IV 2/6.10 bzw. DY 30/ IV A 2/6.10.
Dieses komplizierte Signatursystem wird seit 1997 nicht weitergeführt. Die neu erschlossenen Akten werden fortlaufend nummeriert. Da der dritte, weit umfangreichere Teil der Überlieferung erst 2008 bearbeitet wurde (1126 AE), ist er unter der Signatur DY 30 zu finden.
Erschlossen wurde entsprechend den Verantwortungsbereichen der Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel im zentralen Parteiapparat der SED. Durch Formierung mehrerer Akten zu einem Sachbetreff erfolgte eine Gruppenverzeichnung in Form von Bandreihen. Die neu gebildeten Akten sind buchmäßig, chronologisch, weitgehend nach Sachbetreffen geordnet. Der Umfang beträgt, nach der Kassation von Doppelüberlieferungen, der Abgabe einzelner Fachzeitschriften an die Bibliothek und den Abschluss der Erschließungsarbeiten ca. 43 lfm in 1717 Akteneinheiten. Die Verzeichnungsangaben der ersten beiden Teile wurden 2008, weitgehend ohne Informationsverlust, überarbeitet und inhaltlich der neu erarbeiteten Gliederung angepasst.
Ausgewählte Personen, sowie geografische Angaben können über ein Verzeichnis ermittelt werden. Die im Index aufgeführten Zahlenangaben beziehen sich auf die jeweilige Seite des Findbuches. Akten mit personenschutzwürdigen Belangen sind im Findmittel mit dem Hinweis ”Vorlage nur nach Rücksprache mit dem Fachreferat” gekennzeichnet. und nur unter bestimmten Voraussetzungen einsehbar.

1. Staatliche Organisation des Binnen- und Außenhandels der DDR

Binnenhandel

Der Binnenhandel war Bestandteil der Planwirtschaft der DDR. Als Organ der Volkskammer traf der Ministerrat im Rahmen der Fünfjahr- und Jahrespläne die volkswirtschaftlichen Grundsatzentscheidungen und bestimmte die wesentlichen Aufgaben der Versorgung. Unter seiner Leitung waren zentral die Staatliche Plankommission (SPK), die Industrieministerien und das Ministerium für Handel und Versorgung sowie, in ihrem Territorium, die Räte der Bezirke, Kreise, Städte und Gemeinden für die Durchführung von Versorgungsaufgaben verantwortlich. Mit dem Beschluss über den zentralen Versorgungsplan koordinierte der Ministerrat die Versorgungs- und Handelsprozesse aller an der Versorgung beteiligten Staatsorgane, wirtschaftsleitenden Organe und Kombinate in den Grundfragen.
Die SPK war dafür zuständig, dass die Entscheidungen des Ministerrates hinsichtlich der Grundfragen, der Struktur, der Effektivität, der Proportionen und der volkswirtschaftlichen Gesamtentwicklung vorbereitet und in der lang- und mittelfristigen sowie der Jahresplanung umgesetzt und bilanziert wurden. Sie trug Verantwortung, dass mit den Planvorschlägen der Industrieministerien und deren Volkswirtschaftsplan die Voraussetzungen für eine stabile Versorgung geschaffen wurden.
Die Industrieministerien hatten in ihrem Verantwortungsbereich die festgelegten Plankennziffern für die Konsumgüterproduktion zu berücksichtigen und durch ihre zeitgerechte Realisierung die Deckung des Bedarfs der Bevölkerung nach Menge, Sortiment, Qualität und Preis zu gewährleisten.
Das Ministerium für Handel und Versorgung war für die zentrale Leitung und Planung der Konsumgüterversorgung, insbesondere für Fragen der Warenverteilung und Konsumtion zuständig. Gegenüber zentralgeleiteten Einrichtungen, Kombinaten und Betrieben des Binnenhandels hatte es Rechte und Pflichten eines übergeordneten staatlichen Leitungsorgans. Der Organisationsaufbau des Konsumgüterbinnenhandels wurde im Verantwortungsbereich des Ministeriums für Handel und Versorgung in seiner Grundstruktur durch verschiedene Groß- und Einzelhandelszweige bestimmt. Zu den zentralgeleiteten Einrichtungen gehörten (Stand 1986) die Hauptdirektion Spezialhandel, Hauptdirektion der Handelsorganisation (HO), Volkseigene (VE) Warenhäuser CENTRUM, VE Interhotel DDR, Zentrales Handelsunternehmen Delikat, der Volkseigene Handelsbetrieb Exquisit, Zentrales Warenkontor (ZWK) Waren täglicher Bedarf, ZWK Möbel, ZWK Obst, Gemüse, Speisekartoffeln, ZWK Industriewaren (außer Möbel), das Institut für Marktforschung, das Ökonomische Forschungszentrum des Binnenhandels sowie Volkseigene Betriebe, Kombinate und Einrichtungen mit spezifischen Aufgaben. Ebenso wurde das Zentrale Handelsunternehmen konsument direkt über den Verband der Konsumgenossenschaften, der dem Ministerium für Handel und Versorgung in grundsätzlichen Angelegenheiten der Versorgungspolitik unterstand, angeleitet. Daneben existierten Kombinate, Betriebe und Einrichtungen mit Groß- und Einzelhandelsaufgaben auch im Verantwortungsbereich folgender anderer Ministerien und gesellschaftlicher Organisationen:
des Ministeriums für Allgemeinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau für den Handel mit Fahrzeugen, Fahrzeugersatz- und Fahrzeugzubehörteilen;
des Ministeriums für Kultur für den Buch- und Schallplattenhandel;
des Ministeriums für Gesundheitswesen für die Versorgung mit Arzneimitteln;
des Ministeriums für Kohle und Energie für den Kohlenhandel;
des Ministeriums für Bezirksgeleitete und Lebensmittelindustrie für den Volkseigenen Fischhandel;
der Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe vorrangig für die Versorgung auf dem Lande.
Des Weiteren waren Geschäfte von Industriebetrieben oder Vertriebsorganisationen einzelner Industriezweige für die Versorgung der Bevölkerung zuständig.
Dem Ministerium für Handel und Versorgung waren in der nachfolgenden territorialen Leitungsstruktur die für Handels- und Versorgungsaufgaben zuständigen Fachabteilungen der Räte der Bezirke und regional die Räte der Kreise, als Organe bezirklicher und kommunaler Volksvertretungen, zugeordnet, die auf der Grundlage des Gesetzes zum Volkswirtschaftsplan sowie anderer Vorschriften und zentraler Beschlüsse die Hauptverantwortung der Versorgung mit Konsumgütern und Dienstleistungen in den Bezirken, Kreisen, Städten und Gemeinden trugen. Grundlage war ein komplexer Versorgungsplan, der in Abstimmung mit der Plankommission und dem Wirtschaftsrat des Bezirkes, der Abteilung Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft sowie der Abteilung Verkehr des Rates des Bezirkes erarbeitet wurde. Dieser war für alle im jeweiligen Bezirk tätigen kommunalen Handelsbetriebe bindend. Für den bezirklich geleiteten Handel, zu ihnen gehörten u.a. der Möbelhandel, der Großhandel Waren täglicher Bedarf, der Großhandel Obst, Gemüse, Speisekartoffeln (dem auch die obst- und gemüseverarbeitende Industrie zugeordnet war) sowie der Volkseigene Einzelhandel, ergaben sich dennoch komplizierte Rechtsverhältnisse in Leitungs- und Planungsangelegenheiten. Sie unterstanden jeweils sowohl dem Rat des Bezirkes als auch dem für sie funktionell zuständigen zentralgeleiteten Handelsbetrieb (doppeltes Unterstellungsverhälnis).
Die Räte der Kreise koordinierten die Tätigkeit von Betrieben, die für die Versorgung im Kreis zuständig waren. Sie leiteten, planten und kontrollierten die privaten und genossenschaftlichen Betriebe des Handels- und Dienstleistungswesens und andere unmittelbare Versorgungsleistungen für die Bevölkerung.
Die Räte in den Städten und Gemeinden nahmen Einfluss auf die Änderung der Versorgungsaufgaben sowie auf die Eröffnung und Schließung von Verkaufsstellen und Gaststätten. Sie legten Maßnahmen fest, um Ordnung und Sauberkeit im Handel zu gewährleisten und konnten von Betrieben und Einrichtungen, die die Versorgung des Territoriums sicherten, Rechenschaft verlangen. Die Sortiments- und Leistungskataloge waren durch die örtlichen Räte zu bestätigen.

Außenhandel

Die Außenwirtschaft war in der DDR bis zuletzt in höchstem Grad zentralistisch organisiert. Der Staat verfügte über das alleinige Monopol bei der Ausgestaltung der internationalen ökonomischen und wissenschaftlich-technischen Beziehungen, einschließlich des Valuta-, Zahlungs- und Verrechnungsverkehrs. Oberster staatlicher Entscheidungsträger war der Ministerrat der DDR. In seiner generellen Verantwortung für die gesamte Volkswirtschaft war zugleich die Kompetenz für den Außenhandel eingeschlossen. Als Organe des Ministerrates wurden Aufgaben der staatlichen Leitung und operativen Verwaltung im Rahmen ihres Funktionsprofils von den zuständigen Ministerien und zentralen Staatsorganen wahrgenommen.
Staatliche Plankomission: Ausarbeitung der Schwerpunkte und Hauptrichtungen der Zusammenarbeit mit der UdSSR, den anderen Mitgliedsländern des RGW sowie dritten Staaten (einschließlich BRD); Erarbeitung des Teils zum Staatsplan und den Staatsplanbilanzen; Prüfungs-, Einspruchs- und Bestätigungsbefugnisse (z.B. bei Export von Industrieanlagen);
Ministerium für Außenhandel: Leitungsorgan in der doppelten Funktion der Querschnittsverantwortung für den Wirtschaftsbereich und übergeordnetes Organ der staatlichen Außenhandelsunternehmen;
Ministerien und andere zentrale Staatsorgane mit funktioneller Verantwortung, die übergreifend für die gesamten internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu verwirklichen war (Ministerium der Finanzen, Staatsbank, Ministerium für Wissenschaft und Technik, Ministerium für Verkehrswesen, Ämter für Standardisierung, Preise, Patentwesen u.a.); Realisierung von normativen Regelungen, Leitungsentscheidungen und Verwaltungsakten (z.B. Ministerium der Finanzen für die Eröffnung von Konten in ausländischer Währung; Amt für Standardisierung, Messwesen und Warenprüfung für die Einführung von RGW-Standards);
Industrieministerien und andere Ministerien mit wirtschaftsleitender Funktion.
Ihnen nachgeordnet waren Kombinate, Volkseigene Betriebe und Genossenschaften mit Außenhandelsfunktionen. Die wirtschaftsleitenden Organe hatten ihre Leitungstätigkeit darauf zu richten, dass die unterstellten Wirtschaftseinheiten entsprechend den staatlichen Planauflagen und Orientierungen sowie den Abstimmungen mit den Außenhandelsbetrieben marktgerecht absatzfähige Exportsortimente produzierten. Sie hatten bei der Bilanzierung und in ihrer Leitungstätigkeit die Prinzipien der effektivsten Verwendung und des sparsamsten Verbrauchs von Importen durchzusetzen. Außenhandelsgeschäfte waren über staatliche Außenhandelsbetriebe anzubahnen, denen das branchenbezogene Angebots- und Nachfragemonopol übertragen war. Diese Exklusivität galt uneingeschränkt für die internationale ökonomische, industrielle und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (für Beziehungen im Rahmen des RGW war diese geringfügig gelockert).
Das Ministerium für Außenhandel verfügte über die ausschließliche Unterstellung einiger Außenhandelsunternehmen, insbesondere mit Querschnittsaufgaben. Diese durchgreifende Befugnis war gedeckt durch die gewährten Teilnehmerrechte (gemeinsame Entscheidungskompetenz mit einem Zweigministerium, z.B. bei internationaler Spezialisierung und Kooperation der Produktion betreffend den Werkzeugmaschinenbau) bzw. Mitwirkungsrechte (Abstimmungsbefugnis bei allen außenwirtschaftsrelevanten Normativakten und grundsätzlichen Einzelentscheidungen zentraler Staatsorgane). Daneben existierte aber auch hier das Leitungsprinzip der sogenannten doppelten Unterstellung der übrigen (der Mehrzahl) Außenhandelsbetriebe durch Übertragung der entsprechenden Zuständigkeiten sowohl auf das Ministerium für Außenhandel als auch auf Volkseigene Kombinate und Betriebe und deren zweigspezifische Leitung durch die jeweils übergeordneten Fachministerien. Es bezog sich v.a. auf die Wirtschaftsbereiche, die materielle Erzeugnisse oder Leistungen sowie wissenschaftlich-technische Ergebnisse für den Export zu erbringen hatten oder solche über den Import bezogen. Entscheidungen über die Bildung und Zuordnung von Außenhandelsbetrieben wurden durch das Sekretariat des ZK der SED getroffen. Die Minister und Leiter anderer zentraler Staatsorgane mit Außenhandelsaufgaben waren berechtigt, unmittelbar auf die Tätigkeit der unterstellten Wirtschaftseinheiten durch Planauflagen, Verteilung von Ressourcen mittels Material- und Ausrüstungsbilanzen sowie operativen Leitungsmaßnahmen Einfluss zu nehmen. Das Ministerium für Außenhandel hatte die Generalbefugnis zur Bestimmung der Rechtsstellung der Außenhandelsbetriebe sowie zur Erstellung von Verwaltungsentscheidungen an die Außenhandelsunternehmen in Ex- und Importangelegenheiten. Weitere Aufgabengebiete des Ministeriums für Außenhandel waren die Erforschung, Erschließung und Bearbeitung der Außenhandelsmärkte sowie die Anleitung der Handelspolitischen
Abteilungen bei den Botschaften oder der Handelsvertretungen als Teil der einheitlichen Auslandsvertretungen der DDR in den anderen Staaten.
Die Schwerpunkte der Verantwortung der Industrieministerien waren zunächst, insbesondere in den 1970er Jahren, auf die Durchführung des Prozesses der Arbeitsteilung und der sozialistischen ökonomischen Integration im Rahmen des RGW ausgerichtet. Mit zunehmenden Zahlungsschwierigkeiten bei Valutamitteln orientierte sich deren Zuständigkeit aber verstärkt auf die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit mit westlichen Industrieländern.
Die Stellung der Außenhandelsbetriebe war gekennzeichnet von der eines Organs mit spezifischer planwirtschaftlicher Verantwortung und der eines Unternehmens, das unter den Bedingungen des internationalen Wirtschafts- und Handelsrechts unter ungleichen Voraussetzungen (da staatlich subventioniert) mit ausländischen Firmen auf den Weltmärkten konkurrierte. Sie waren Träger der Funktionen des Außenhandelsmonopols auf Unternehmensebene. Dazu wurden den Außenhandelsbetrieben bestimmte normative Rechte zugeordnet, die Leitungselemente beinhalten. Dies waren obligatorische Abstimmungen für Kombinate und andere Wirtschaftseinheiten über Maßnahmen zur Marktarbeit im Ausland, die ausschließliche Berechtigung zur Errichtung von Absatz- und Bezugsorganisationen im Ausland, die obligatorische Mitwirkung an internationalen Verträgen über Spezialisierung und Kooperation der Produktion sowie wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit. Daneben konnte weiterhin auf ein mit administrativen Elementen durchsetztes Vertragsrecht zurückgegriffen werden.
Die Kombinate und Betriebe wurden auf das Niveau begrenzter Befugnisse gehalten. Sie waren im Wesentlichen auf die Vorbereitung und Durchführung zentral festgelegter Maßnahmen für die sozialistisch ökonomische Integration, die Erarbeitung von Vorschlägen für die internationale Zusammenarbeit (gemeinsam mit den Außenhandelsbetrieben), die Abstimmung der Entwicklung von Forschung und Produktion mit den RGW-Partnern, den Vertragsabschluß mit den Außenhandelsbetrieben zu Vorhaben von Spezialisierung und Kooperation sowie einige andere reglementierte Aufgaben eingeschränkt.

2. Tätigkeit der Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel des ZK

Für die staatliche Verwaltung in der DDR war es charakteristisch, dass sie in ihren Organisationsstrukturen und ihrer personellen Zusammensetzung unter der uneingeschränkten Herrschaft der SED stand. Alle wichtigen Fragen und Aufgaben der staatlichen Arbeit wurden auf der Grundlage entsprechender Beschlüsse und Direktiven der Partei geführt.
Personell übte die SED ihre Führung gegenüber den zentralen Staatsorganen durch Auswahl und Einsatz von Leitungskadern aus, die überwiegend Mitglieder ihrer Partei waren und sich dort in der Vergangenheit bereits politisch bewährt hatten. Sie wurden in staatliche Behörden versetzt und erhielten vom zentralen Parteiapparat oder nachgeordneten SED-Bezirks- und Kreisleitungen ihre Aufträge. Über die Ergebnisse ihrer Arbeit legten sie auf der Parteiebene Rechenschaft ab und wurden ggf. bei Verstößen durch die Zentrale Parteikontrollkommission oder anderen SED-Organen disziplinarisch zur Verantwortung gezogen. Gelegentlich wurden aber auch im Rahmen der SED-Bündnispolitik einige hohe staatliche Leitungsfunktionen an Vertreter von Blockparteien oder gesellschaftlichen Organisationen vergeben. Sie mussten jedoch loyal und fähig sein, die Beschlüsse und Direktiven der Parteiführung praktisch umzusetzen. Spitzenfunktionen in zentralen Staatsorganen waren Bestandteile des Nomenklatursystems des ZK der SED. Der Ernennung von Ministern, Stellvertretenden Ministern und Staatssekretären ging in der Regel per Beschluss die vorherige Zustimmung durch das Politbüro oder Sekretariat des ZK voraus. Insofern bestand immer eine enge Verbindung zwischen den Eliten des Partei- und des Staatsapparates.
Diese Führungsstruktur wurde bis in die unteren staatlichen Leitungsgremien praktiziert. Bereits im Juli 1960 fasste das Politbüro des ZK der SED den Beschluss, dass zentrale Festlegungen der SED unverändert vom Ministerrat zu übernehmen waren und durch Annahme rechtsbindend für die Tätigkeit aller staatlichen Organe wurden. So konnten Verstöße gegen Gesetze, Verordnungen, Direktiven und Entscheidungen der obersten staatlichen Ebene letztendlich auch mit der Verletzung von Parteibeschlüssen gleichgestellt werden. Die Verbindlichkeit der Parteibeschlüsse für die zentrale staatliche Verwaltung erstreckte sich auf Beschlüsse und Direktiven des Parteitages der SED, des ZK der SED sowie auf Beschlüsse des Politbüros und des Sekretariats. Gelegentlich gab es aber auch gemeinsame Beschlüsse des ZK der SED und des Ministerrates der DDR.
Die Verantwortung für die Durchsetzung der SED-Beschlüsse im Bereich des Binnen- und Außenhandels wurde im zentralen Parteiapparat durch die Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel wahrgenommen. Sie wurde auf Beschluss des Sekretariats des ZK vom 5. November 1951 aus der Abteilung Wirtschaftspolitik des ZK (Abteilungsleiter Willi Stoph und Willi Hockenholz, Stellvertretender Abteilungsleiter mit der Zuständigkeit für Handel und Verkehr Karl Gaile), zunächst als Abteilung Handel und Verkehr des ZK (Abteilungsleiter Karl Gaile, Sektorenleiter für Handel und Versorgung bis 1952 Kurt Wolf) gebildet, die im November 1952 zur Abteilung Handel, Versorgung und Leichtindustrie ZK (Abteilungsleiter bis April 1953 Karl Gaile, Mai 1953-Januar 1954 Willy Pabst, Stellvertretender Abteilungsleiter Herbert Bäger und ab Oktober 1954 Harry Schindler, ab Januar 1953 Abteilungsleiter für Handel und Versorgung zur Neuorganisation Ernst Lange) umstrukturiert wurde. Im März 1955 erfolgte die Trennung in die Abteilung Binnen- und Außenhandel (ab 1957 Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel) und Abteilung Leicht-, Lebensmittel und örtliche Industrie (ab 1966 Abteilung Leicht-, Lebensmittel- und bezirksgeleitete Industrie). Die Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel gehörte zu den wirtschaftspolitischen Abteilungen im ZK und unterstand in früheren Jahren den Sekretären für Wirtschaft des ZK Willi Stoph (1951-1952), Gerhart Ziller (1953-1957) sowie Erich Apel (Februar 1958-1961 Leiter der Wirtschaftskommission beim Politbüro, Juli 1961-Juni 1962 Sekretär für Wirtschaft). Ziller und Apel gehörten jedoch zunächst noch keinem der Spitzengremien des ZK als Mitglied oder Kandidat an. Angelegenheiten des Binnen- und Außenhandels im Politbüro und Sekretariat wurden zwischen 1956 und 1958 nur von Funktionären vertreten, die sowohl auf der SED- als auch auf Regierungsebene bereits in höheren Ämtern tätig waren (Fred Oelsner für den Binnenhandel und Heinrich Rau für den Außenhandel). Ab Februar 1958 war dann Erich Apel als Leiter der Wirtschaftskommission regelmäßiger Teilnehmer an Sitzungen des Politbüros und des Sekretariats des ZK mit beratender Stimme.
Im November 1961 übernahm Edith Baumann die Tätigkeit des neu geschaffenen Sekretärs für Handel und Versorgung des ZK. Sie besaß als bisherige Jugend- und Frauenfunktionärin für ihre neue Aufgabe jedoch noch unzureichende praktische Erfahrung und mangelndes politisches Durchsetzungsvermögen. Edith Baumann wurde deshalb bereits wieder auf dem VI. Parteitag der SED (Januar 1963) von Werner Jarowinsky, zuvor Staatssekretär im Ministerium für Handel und Versorgung, abgelöst, der dieses Amt langjährig bis zum politischen Umbruch in der DDR im November 1989 ausübte.
Die Abteilung Handel und Versorgung war für die Anleitung und Kontrolle bei der Durchführung der SED-Beschlüsse in Fachministerien, zentralen Staats- und nachgeordneten SED-Organen sowie der Parteiorganisatoren des ZK des Binnen- und Außenhandels zuständig. Sie nahm Einfluss auf die Auswahl von Führungskadern in Ministerien, zentralen Staatsorganen, im Verband der Konsumgenossenschaften und in Außenhandelsvertretungen der DDR und war an deren politische und fachliche Weiterbildung beteiligt. Abteilungsleiter waren Ernst Lange (1953-1966) und Hilmar Weiß (1967-1989), ihre Stellvertreter Harry Schindler, Rudolf Murgott, Horst Sölle, Albrecht Degenhard, Robert Habermann und Günter Ballauf. Die Abteilung bestand aus dem Sektor Handel und Versorgung (Sektorenleiter 1963-1972 Heinz Reimann und Hermann Danz, 1973-1989 Rolf Krug) und dem Sektor Außenhandel (Sektorenleiter Sept. 1953-1962 Horst Sölle, 1963-1968 Gerhard Nitzschke, 1969-1971 Manfred Funke, 1971-Februar 1979 Robert Habermann, Februar 1979-Oktober 1982 Klaus-Dieter Schubert, November 1982-1989 Rainer Diem). Sie gab Vorschläge und Stellungnahmen für das Politbüro und das Sekretariat des ZK zu Fragen der Entwicklung in ihrem Aufgabenbereich ab. Dabei arbeitete sie eng mit dem Sekretär für Handel und Versorgung des ZK Werner Jarowinsky zusammen. Dessen Kompetenz war jedoch durch die besondere Stellung des Sekretärs für Wirtschaft (1962-1973 und 1976-1989 Günter Mittag, 1973-1976 Werner Krolikowski) begrenzt. Insbesondere Mittag wurde nach der Übernahme der Parteiführung durch Erich Honecker einer der mächtigsten Persönlichkeiten im ZK, der freie Hand bei wirtschaftspolitischen Entscheidungen hatte. Die Ausnahme waren Fragen zur Grundversorgung, Tarife, Mieten und Verbraucherpreise. Auf Grund ihrer besonderen sozialpolitischen Bedeutung, war hier nur das Wort des Generalsekretärs (bis 1976 1. Sekretär) bindend. Für die Parteiführung war, auch in Anlehnung an den in der Vergangenheit gesammelten politischen Erfahrungen, die Versorgungs-, Preis- und Subventionspolitik Argumentation zur Sicherung der Machtverhältnisse in der DDR. Die Garantie des Arbeitsplatzes sowie eine bezahlbare und gesicherte Grundversorgung für die Bürger reichten nach Honeckers Ansicht dauerhaft aus, um das gesellschaftliche System innenpolitisch zu stabilisieren. Deshalb wurden die Preise für Nahrungsmittel, Energie und viele Dienstleistungen in der DDR hoch subventioniert, um sie jedermann verfügbar zu machen und so einen garantierten Mindestlebensstandard für alle sozialen Schichten zu erhalten. In den öffentlichen Verlautbarungen der SED wurde die Sicherung der Grundversorgung bei niedrigen Preisen als soziale Errungenschaft der Werktätigen und der Politik der Partei der Arbeiterklasse dargestellt, obwohl sich die produktbezogenen Abgaben für höherwertige Konsumgüter und Lebensmittel zunehmend stillschweigend verteuerten. Besonders die Preise wichtiger Grundnahrungsmittel blieben in der Regel aber unantastbar.
Günter Mittag beaufsichtigte als oberster Wirtschaftslenker der DDR mit den ihn unterstehenden wirtschaftspolitischen Abteilungen nicht nur große Teile der Infrastruktur des Binnenhandels, er besetzte im zentralen Parteiapparat als Leiter der Wirtschaftskommission beim Politbüro (1976-1989), Arbeitsgruppe RGW, Arbeitsgruppe Zahlungsbilanz, Arbeitsgruppe BRD, Kommission Entwicklungsländer sowie als Vorgesetzter des Leiters des Bereiches Kommerzielle Koordinierung auch die wichtigsten Schlüsselfunktionen des Außenhandels.

3. Inhaltliche Schwerpunkte des Bestandes

Alle Arbeitsfelder der Abteilung Handel, Versorgung und Außenhandel spiegeln sich im Teilbestand, der den Zeitraum von 1953 bis 1989 umfasst, wider.
Die Hauptgruppe “Tätigkeit der Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel innerhalb des zentralen Parteiapparates” beinhaltet Zuarbeiten der Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel ZK und von Forschungseinrichtungen des Binnen- und Außenhandels zu den Rechenschaftsberichten sowie Grußschreiben von Handelseinrichtungen an die SED-Parteitage und Tagungen des ZK. Die Hauptgruppe enthält Informationen, Schriftwechsel mit den höchsten Parteigremien (ZK, Politbüro und Sekretariat des ZK), Abteilungen und der Wirtschaftskommission des zentralen Parteiapparates, insbesondere zur Versorgungslage und zur Tätigkeit der Außenhandelseinrichtungen. Regelmäßig wurden vom Politbüro des ZK “Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung” beschlossen. Eine außerplanmäßige Stabilisierung wurde u.a. durch Auslagerungen aus der Staatsreserve, Streichung von Exporten oder regionale Umverteilungen erreicht.
Umfangreich überliefert sind Informationen der zweiten Hauptgruppe ”Politik der SED im Binnen- und Außenhandel”. Sie beinhaltet Dokumente zur Tätigkeit des Volkskammerausschusses für Handel und Versorgung und zentraler Verwaltungsorgane. Von Interesse sind dabei die Vorlagen zentraler Staatsorgane und die Festlegungsprotokolle der Versorgungskommission des Ministerrates (Leitung Heinz Klopfer, Staatssekretär der SPK). Hier wurden Vorschläge für Entscheidungen des Politbüros zur Sicherung der Versorgung der Bevölkerung und Maßnahmen zu ihrer Durchführung erarbeitet. Es sind des Weiteren Berichte der Regierungskommission Ex- und Import, der SPK und des Volkswirtschaftsrates vorhanden.
Von Interesse sind die Informationen zur Tätigkeit des Ministeriums für Handel und Versorgung und des Ministeriums für Außenhandel. Sie geben einen Einblick zur inneren Struktur und Tätigkeit der im Zuständigkeitsbereich der Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel befindlichen Fachministerien bei der Durchführung von SED- und Ministerratsbeschlüssen in Handels- und Versorgungsangelegenheiten und dokumentieren die Eingriffs- und Kontrollmechanismen der SED-Führung in die Arbeit der Staatsorgane. Der Teilbestand beinhaltet weiterhin Ausarbeitungen nachgeordneter Staatsorgane, zum großen Teil auch als Druckschriften überliefert. Zu ihnen gehören die Staatliche Zentralverwaltung für Statistik und das Zentrale Organisations- und Abrechnungszentrum für den Binnenhandel. Hierbei handelt es sich v.a. um Statistiken zur Entwicklung neuer Konsumgüter, zum Warenumschlag, zur Grundfondsökonomie und Investitionen. Überliefert sind Schriftwechsel mit der Zollverwaltung der DDR, Kontrollberichte der Arbeiter- und Bauerninspektion, Versorgungsanalysen der Zentralen Kommission für Staatliche Kontrolle, zur Tätigkeit der Deutschen Notenbank (ab 1968 Staatsbank der DDR) und Außenhandelsbank, der Kammer für Außenhandel und der dem Ministerium für Außenhandel unterstehenden Handelspolitischen Abteilungen. Besonders umfangreich existieren Dokumente zur Vorbereitung und Durchführung der Perspektiv- und Volkswirtschaftspläne. Sie waren die wichtigsten Instrumente zur Wirtschaftslenkung in der DDR. Insbesondere die zentralen Versorgungspläne, als Bestandteil der Volkswirtschaftspläne, bildeten die Grundlage für die Koordinierung der Tätigkeit der an Versorgungs- und Handelsprozessen beteiligten Staatsorgane. Investitionen im Binnen- und Außenhandel beziehen sich v.a. auf den Ausbau der Handelsstruktur in Berlin und in den Bezirksstädten der DDR. Von Interesse sind auch Akten zum PKW-Programm. Im Jahre 1983 beschloss das Politbüro ein umfangreiches Programm zur Entwicklung des Fahrzeugwesens. Motoren und Karosserien wurden in Kooperation mit der Volkswagen AG Wolfsburg für Autotypen der DDR entwickelt. Damit sollten v.a. die Exportmöglichkeiten der Autoindustrie erweitert werden, um den internationalen Ansprüchen auf den osteuropäischen Märkten nach Senkung des Treibstoffverbrauchs und der Abgase zu entsprechen. Zugleich ermöglichte es auf dem Binnenmarkt neue Geldmittel zu binden, um den Abkauf anderer Produkte zu bremsen, da die Fahrzeuge zu sehr hohen Preisen für die Bevölkerung im Bestellsystem, nach Ablauf langer Wartezeiten, angeboten werden sollten. Innerhalb des ZK war in dieser Angelegenheit das Büro Günter Mittag (in Zusammenarbeit mit der Abteilung Maschinenbau, Metallurgie, Abteilung Planung und Finanzen und dem Sektor Außenhandel) federführend.
Die Unterlagen der Aktengruppe Binnenhandel beinhalten v.a. Informationen zur Tätigkeit des Sektors Handel und Versorgung. Sie dokumentieren die Grundprobleme der Planwirtschaft, die es nur unzureichend verstand, den wachsenden Konsumwünschen der Bevölkerung mit einer dafür notwendigen Liberalisierung der Produktions- und Dienstleitungsprozesse auch innovativ gerecht zu werden. Dabei gab es in der Vergangenheit Bemühungen der SED-Führung den Anforderungen einer modernen Industrie- und Konsumgesellschaft durch Veränderung des Wirtschaftskurses zu entsprechen. Ein Beispiel ist das unter Leitung Walter Ulbrichts und seinen Wirtschaftsexperten entwickelten Modell des ”Neuen Ökonomischen Systems der Planung und Leitung (1963-1967) und des ”Neuen Ökonomischen Systems” (1967-1970). Die bestehende Wirtschaftsform sollte durch moderne Marktmechanismen ergänzt werden, ohne dabei jedoch die zentralistischen Planungs- und Preisstrukturen ernsthaft in Frage zu stellen. Die in den 1950er Jahren (”Neuer Kurs”) begonnene umfassende Enteignung privater Betriebe wurde gestoppt, da dieser Bereich wesentlich zur Produktion von Konsumgütern und Dienstleistungen beitrug. Trotz aller Schwankungen verbesserte und stabilisierte sich zwar die Versorgungslage in einigen Bereichen vorübergehend (z.B. technische Konsumgüter), die grundlegenden Engpässe blieben jedoch weiter bestehen. Insbesondere aber kam die SED-Führung zu der Überzeugung, dass mit den bestehenden Strukturveränderungen die Bundesrepublik Deutschland weder in der Produktivität noch im Lebensstandard der Bevölkerung einzuholen gewesen wäre. Sie war keine konkurrenzfähige Alternative zum westlichen Wirtschaftssystem. Informationen zu dieser Reform des Binnenmarktes sind ebenso überliefert wie zum späteren innenpolitischen Richtungswechsel unter der Führung Erich Honeckers, dem ”Kurs der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik”. Dieser hatte als wesentliches Merkmal den Anstieg der Ausgaben für Konsum- und Sozialleistungen zu Lasten der volkswirtschaftlichen Produktivität zum Inhalt. Elemente zu dieser Wirtschaftsführung sind in der Bandreihe ”Leitung, Planung, wirtschaftliche Rechnungsführung” vorhanden. Dokumente zur Öffentlichkeitsarbeit beziehen sich v.a. auf Publikationen zum Binnenhandel und auf die Vorbereitung des Tages der Mitarbeiter des Handels.
In der Aktenuntergruppe “Preise und Finanzen” sind Hinweise zur Gestaltung der Verbraucher-, Agrar- und Industriepreise enthalten. Sie dokumentieren die Bemühungen der SED-Führung, das Kaufverhalten der Verbraucher planwirtschaftlich durch Änderung der Preise zu regeln. Des Weiteren finden sich im Teilbestand Dokumente zur Tätigkeit von Betrieben und Handelseinrichtungen. Von Interesse sind die Informationen der Versand- und Warenhäuser. Mit dem Versandhandel, die den Warenhäusern CENTRUM (Versandhaus Leipzig, Eröffnung 1956) und konsument (Versandhaus Karl-Marx-Stadt, Eröffnung 1961) angeschlossen waren, sollten ursprünglich bestimmte Mängel im Handelssystem, insbesondere in den Gemeinden, behoben werden. Er ermöglichte eine vom Verkaufsstellennetz unabhängige Warenverteilung und wurde zur beliebten Annahmestelle von Nachfragen der Bevölkerung nach schwer erhältlichen Sortimenten. Damit stieg der Versandhandel aber auch an seine Grenzen. Auf Grund mangelnder Zulieferung wurde er im Jahre 1976 als Großeinrichtung bereits wieder eingestellt. Einige Artikel konnten aber darüber hinaus weiter in kleinerem Rahmen im Versand angeboten (z.B. Bücher und Schallplatten). Überliefert sind Berichte und Informationen von Großhandelsbetrieben und Verkaufseinrichtungen, u.a. zum Bau und Projektierung von Großraumverkaufsstellen, die auf Beschluss der Handelskonferenz 1959 flächendeckend entstehen sollten, zur Gestaltung der Ladenöffnungszeiten und der Beziehungen zwischen Groß- und Einzelhandel. Von Bedeutung sind auch die Dokumente der Handelsorganisation HO (gegründet 1948). Hier konnten in den Nachkriegsjahren Produkte ohne Bezugsscheine oder Karten zu festgesetzten Preisen erworben werden. Damit sollten dem Schwarzmarkt Geldmittel entzogen, die Steuereinnahmen erhöht und die Warenverteilung planwirtschaftlich geordnet werden. Die HO bildete die Grundlage für den staatlichen Handel. Ab 1952 gerieten viele private Geschäfte durch unzureichende Warenzuteilungen an den Rand des ökonomischen Zusammenbruchs, die dann von der HO übernommen werden konnten. Bis zum Ende der Lebensmittelrationierung im Jahre 1958 hatte die HO das Monopol für den Verkauf bewirtschafteter Waren inne.
Es liegen in der Ordnungsgruppe ”Binnenhandel” Informationen zur Kommissions- und Privatwirtschaft vor. Die Politik der flächendeckenden Enteignung privater Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe, die bis dahin wesentlich zur Stabilisierung der Versorgung beitrugen, und Zentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungsprozesse, wurde nach Abbruch aller Experimente des Neuen Ökonomischen Systems unter der Parteiführung Erich Honeckers ab 1972 wieder intensiv vorangetrieben. Erst eine Phase des Stagnierens der gewerblichen Produktion zu Beginn der 1980er Jahre ermöglichte durch besondere Fördermaßnahmen wieder die Reaktivierung des privaten Sektors, jedoch nur in kleineren Rahmen.
Materialien zur Versorgung in den Bezirken und Kreisen befinden sich in der Aktenuntergruppe ”Regionale Versorgung” mit dem Handelsschwerpunkt Berlin. Die Hauptstadt zum ”Schaufenster des Sozialismus” auszubauen war eine zentrale Angelegenheit der SED. Von Interesse sind die vom Politbüro beschlossenen Maßnahmen zur Schaffung eines Führungsbeispiels der Frischwarenversorgung im Bezirk Leipzig, mit dem die Parteiführung die zum Teil katastrophalen Versorgungsengpässe in den Industriegebieten in den Griff zu bekommen versuchte.
Das Schriftgut der Ordnungsgruppe “Sortimentshandel” dokumentiert die Bemühungen der SED-Führung,den Bedarf der Bevölkerung mit sachbezogenen Gütern abzusichern. Es sind überwiegend Berichte der Generaldirektoren der Zentralen Warenkontore über die Warenfondsbilanzen in ihren Bereichen vorhanden.
Zunehmende Versorgungsmängel verpflichteten die zentralgeleiteten Behörden zur häufigeren Erstellung von Informationen an die wirtschaftpolitischen Abteilungen des ZK über die Handelsergebnisse in ihren Bereichen. Sie wurden als Wochen-, Monats- und Quartalsberichte über Wareneinkäufe, Warenumsatz und zur Versorgungslage niedergeschrieben. Es ist aber nicht auszuschließen, dass Statistiken von ihren Berichterstattern manipuliert worden sind, um so bei Nichterfüllung der Planauflagen ggf. nicht unnötig in das Visier von Kontrollbehörden zu geraten und um Kürzungen von Leistungsanreizen fürchten zu müssen.
Es existieren zahlreiche Schriftstücke zur Leitungsorganisation der Zentralen Warenkontore. Überliefert sind Informationen zum Dienstleistungs-, Hotel- und Gaststättenwesen, zum Gebrauchtwarenhandel sowie zur Versorgung mit Nahrungsmitteln, Textilien, Haushaltswaren, technischen Konsumgütern, Sportartikeln, Spielwaren, Möbeln und Wohnkultur sowie Waren des täglichen Bedarfs. Interessant ist, dass bereits 1958 Großbetriebe zur Produktion einzelner Warengruppen verpflichtet wurden. So wurde das “Programm der 1000 kleinen Dinge des täglichen Bedarfs, Reparaturen und Dienstleistungen” ins Leben gerufen, bei dem sich die Industrie außerhalb ihrer Zuständigkeiten an der Herstellung kleinerer Handelsartikel beteiligte und Strukturmängel im Dienstleistungswesen behoben werden sollten.
Eine Sonderstellung innerhalb der Ordnungsgruppe nimmt der Delikat- (gegründet 1966) und Exquisithandel (gegründet 1961) ein. Diese gehobenen Verkaufsbereiche wurden auf Beschluss des Politbüros ZK im Frühjahr 1977 als versorgungspolitische Alternative zu den bereits bestehenden Intershopläden ausgebaut. Der Intershop war im Jahre 1962 gebildet worden, um zunächst nur Ausländern Einkäufe mit Zahlungsmitteln westlicher Währung zu ermöglichen. Ab 1977 wurde das Netz der Intershops und ihr Angebot stark erweitert, da sich dann auch DDR Bürger, denen der Besitz von Devisen erst ab 1974 (ab 1979 nur noch Forum-Schecks) stillschweigend erlaubt worden war, dort Waren beschaffen konnten. Das hatte größere Umsatzsteigerungen zur Folge, allein im Jahre 1988 wurden nahezu 10% der gesamten DDR-Westexporte über die Intershops abgewickelt. Er blieb aber der breiten Öffentlichkeit als Einkaufsmöglichkeit weiter verschlossen. Im Delikat- und Exquisithandel konnten Bürger einige Importwaren oder einheimische Produkte von besserer Qualität, die im sonstigen Einzelhandel nicht erhältlich waren, mit der Binnenwährung, jedoch zu überhöhten Preisen erwerben. Damit sollte nicht nur das Warenangebot erweitert, sondern gleichzeitig auch der Geldüberhang bei privaten Vermögen verringert werden. Je schlechter die Einkaufsmöglichkeiten in den Großgeschäften jedoch wurden, desto mehr entwickelten sich Delikat- und Exquisiteinrichtungen zu einem festen Bestandteil der Normalversorgung. Von Interesse ist auch das Schriftgut zur Kinder- und Jugendmode. Ab 1969 war die Jugendmode mit einer eigenen Abteilung in allen größeren Kaufhäusern präsent.
Die Untergruppe “Warenumschlag” beinhaltet Informationen zu Fragen der technischen Ausrüstung sowie der Energie- und Transportwirtschaft der Handelsbetriebe, zur Bestandswirtschaft und zur Gestaltung der Beziehungen zwischen Groß- und Einzelhandel. Überliefert sind Dokumente zur organisatorischen Vorbereitung von Sonderveranstaltungen, insbesondere von Jugend- und Sportveranstaltungen, zur Urlauber- und Festtagsversorgung sowie zur Schwerpunktversorgung an der Erdgastrasse in der UdSSR und in Industriegebieten der DDR. Vorhanden sind auch Materialien zu den Versorgungsaktivitäten zum Reise- und Besucherverkehr der DDR mit der BRD (Ostern und Pfingsten) sowie ČSSR und Polen im Jahre 1972. Es war die erste große innerdeutsche Reisewelle seit dem Mauerbau 1961 und der Beginn des visafreien Reiseverkehrs mit den östlichen Nachbarländern. Informationen zur Sicherstellung von Versorgungsleistungen auf SED-Parteitagen befinden sich in der Untergruppe “Vorbereitung, Auswertung von Parteitagen, Tagungen des ZK der SED”.
Die Aktengruppe “Außenhandel” beinhaltet v.a. Archivgut des Sektors Außenhandel. Unter “Grundsatzdokumente” sind Dokumente zur Ausarbeitung von Rechtsgrundlagen zur Gestaltung des Außenhandels zur Zeit der Wirtschaftspolitik des Neuen Kurses (1953-1962), die von begrenzten Ex- und Importmöglichkeiten geprägt war, vorhanden. Es existieren Informationen zur Intensivierung und Rationalisierung, zur Exportstruktur und Rentabilität des Außenhandels und über die Umsetzung und Auswirkung der Wirtschaftsreform des Neuen Ökonomischen Systems (1963-1970) auf den Außenhandel. In der Ordnungsgruppe “Außenhandel mit westlichen Industrieländern, Entwicklungsländern und Ländern des RGW” ist der Schriftwechsel des Sektors Außenhandel mit den für diese Bereiche zuständigen Fachabteilungen des Ministeriums für Außenhandel (Abteilung Länder des RGW, Abteilung Entwicklungsländer, Abteilung kapitalistische Länder) hervorzuheben. Er beinhaltet überwiegend globale Aspekte der Gestaltung der internationalen Handelsbeziehungen. Die Aktengruppe Konferenzen und Beratungen des Außenhandels bezieht sich v.a. auf die Anleitung der Generaldirektoren der Außenhandelsbetriebe und der Leiter der Handelspolitischen Abteilungen zu Fragen der Umsetzung von SED-Beschlüssen. Dokumentiert ist Archivgut über Inspektionen zur Durchführung des Außenhandelsplanes und über den Außenhandel im Bereich Maschinen-, Landmaschinen-, Fahrzeugbau, im Bereich Elektrotechnik, Elektronik, im Bereich Schwermaschinen- und Anlagenbau, im Bereich der Grundstoffindustrie, im Bereich immaterieller Leistungen, im Bereich des Außenhandelstransportwesens und zur Gestaltung der Außenhandelspreise.
Umfangreich liegen Informationen zur Anleitung der Außenhandelsbetriebe vor. Insbesondere durch den unter der Parteiführung Erich Honeckers eingeleiteten wirtschaftspolitische Kurswechsel wurden die Möglichkeiten der Außenhandelsbetriebe, neue Devisen zu erwirtschaften, eingeschränkt, da das Importvolumen den Außenhandelsumsatz bei den Exporten einheimischer Produkte immer mehr übertraf. Das verschärfte letztendlich die Zahlungsbilanz und beschleunigte den Niedergang der Volkswirtschaft der DDR.
Die Informationen zur Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen beschränken sich auf den Handel innerhalb des RGW, auf Fachtagungen der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung, auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, auf Verhandlungen im Rahmen des internationalen Zoll- und Handelsabkommens GATT.
Das Archivgut zur internationalen Zusammenarbeit mit Ländern wurde geografisch-alphabetisch geordnet, mit dem Schwerpunkt der Handelsbeziehungen mit der UdSSR, als wichtigsten Handelspartner der DDR, aber auch mit westlichen Industrie- und Entwicklungsländern.
Von Interesse ist auch das Archivgut zur Ausbildung, Forschung und Entwicklung im Binnen- und Außenhandel, beispielsweise die Unterlagen der Akademie der Wissenschaften und der Akademie für Staats- und Rechtsfragen, die jeweils dem Ministerrat der DDR direkt unterstanden, des Ökonomischen Forschungszentrums für den Binnenhandel, des Instituts für Marktforschung, des Instituts für Handelstechnik, der Hochschulen für Binnen- und Außenhandel. Große Teile der Ausarbeitungen sind als Druckschriften überliefert.
Die Aktengruppe “Sozialistischer Wettbewerb” beinhaltet Produktionsaufrufe und Verpflichtungen von Arbeitsbrigaden der Staatsorgane, der Binnen- und Außenhandelsbetriebe und im Ausland tätigen Handelspolitischen Abteilungen. Das Wettbewerbsprogramm wurde von den Vertrauensleutevollversammlungen der Gewerkschaft zu Beginn eines jeden Planjahres verabschiedet. Wichtige Grundprinzipien des Sozialistischen Wettbewerbs waren deren Öffentlichkeit, Vergleichbarkeit und Wiederholbarkeit. Ein Prämiensystem sorgte für den materiellen Anreiz bei der Durchführung der Wettbewerbsverpflichtungen. Dokumente über den Sozialistischen Wettbewerb befinden sich auch in den Grußschreiben an den jeweiligen SED-Parteitag. Informationen über Gehaltszahlungen, Frauen- und Jugendförderung sind in der Aktengruppe “Löhne, Vergütungen und Sozialwesen” überliefert. Hingewiesen sei auch auf die Akten des Verbandes der Konsumgenossenschaften (VdK). Nach seiner Neugründung im Jahre 1949 bewirtschaftete der VdK ein flächendeckendes Handels- und Versorgungsnetz (kurz “Konsum” genannt) mit ca. 260 000 Mitarbeitern (Stand 1989), insbesondere in den ländlichen Regionen und Industriegebieten. Überliefert sind des Weiteren Dokumente der Gewerkschaft Handel, Nahrung und Genuss.
Außerdem liegen Informationen über Republikfluchten, Missstände und Strafrechtsverstöße in Handelseinrichtungen vor. Besonders umfangreich ist das Archivgut zur Organisation von Messen und Ausstellungen, insbesondere der Leipziger Messe, für deren Organisation im ZK der Sektor Außenhandel federführend war. Darin eingebunden waren auch Fragen der Zusammenarbeit mit dem Leipziger Messeamt, das für die Gesamtorganisation der Messe zuständig war. Es existiert Schriftgut über verschiedene Binnenhandels- und Auslandsmessen, darunter der Landwirtschaftsausstellung AGRA in Markkleeberg und der Zentralen Messe der Meister von Morgen.
Den Abschluss des Teilbestandes bilden die Eingaben. Rechtliche Grundlage für die Eingabenbearbeitung war das Eingabengesetz aus dem Jahre 1975 sowie verschiedene auf den SED-Parteitagen und ZK-Tagungen verabschiedete Richtlinien. Die Eingaben wurden sachthematisch geordnet und sind ein Spiegelbild über den von Mangelwirtschaft geprägten sozialen Alltag der Bürger der DDR.

Hinweis:

Zu bestellen und zu zitieren sind die Akten unter der Angabe der entsprechenden Signatur DY 30/IV 2/6.10/ jeweiliger Aktenband oder DY 30/IV A 2/6.10/ jeweiliger Aktenband oder DY 30/ jeweiliger Aktenband. Die Quellenangabe lautet: BArch DY 30/IV 2/6.10/ jeweiliger Aktenband oder DY 30/IV A 2/6.10/ jeweiliger Aktenband oder DY 30/ jeweiliger Aktenband.

Literaturhinweise:

Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft der DDR, Die Versorgung der Bürger mit Wohnraum, Konsumgütern und Dienstleistungen. Potsdam-Babelsberg 1987.

Amos, Heike, Politik und Verwaltungsorganisation eines zentralen Machtapparates - Struktur und Arbeitsweise von Politbüro, Sekretariat, Zentralkomitee und ZK-Fachapparat der SED 1949-1963. Forschungsinstitut für Öffentliche Verwaltung, Speyer 2002.

Kaminsky, Anette, Der Verband der Konsumgenossenschaften der DDR. In: Die Parteien und Organisationen der DDR. Karl Dietz Verlag, Berlin 2002, S. 719-740.

Kaminsky, Anette, Illustrierte Konsumgeschichte der DDR. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen.

König, Klaus, Verwaltungsstrukturen der DDR. Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1991.

Kreutzer, Claus J. (Hrsg.), Handelsrecht. Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1986.

Meyer, Erhard, Der Bereich Günter Mittag - das wirtschaftspolitische Machtzentrum. In: Das Große Haus. Edition Ost, Berlin 1994, S.137-147.

Müller-Enbergs, Wielgohs, Hoffmann (Hrsg.), Wer war wer in der DDR? – Ein biographisches Lexikon. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2000.

Steiner, André, Von Plan zu Plan – Eine Wirtschaftsgeschichte der DDR. Aufbau-Verlag, Berlin 2007.

Record creator

Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands Abteilung Handel, Versorgung, Außenhandel

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