Die topographisch-statistischen Materialien bilden eine Sammlung von ortsgeschichtlich
interessantem Material, das in 39 Kartons aufbewahrt wird. Es ist nach den Landesvierteln
gegliedert und innerhalb dieser alphabetisch nach Ortschaften und Herrschaften (vereinzelt
auch nach größeren Fabriken) in Mappen geordnet und nummeriert. Auch zahlreiche heute
zu Wien gehörige Ortschaften sind enthalten (z.B. Hernals, Hacking, Hietzing).
Der Bestand ist viertelsweise durch moderne alphabetische Ortsverzeichnisse erschlossen.
Die Mappen können im günstigen Fall Unterlagen aus drei Zeiträumen enthalten, jene
kleinerer Ortschaften oft nur ein Blatt.
Geschichte:
Der Bestand geht auf Bestrebungen der NÖ Stände zurück, eine Topographie und Landkarte
von Niederösterreich herauszugeben. 1791 wurde der Plan zu diesem Unternehmen gefasst
und mit Hofdekret vom 16. September 1791 bewilligt. Die Durchführung wurde dem Astronomen
Abbé Anton Pilgram übergeben, die Aufsicht von Seiten der Stände lag bei Franz Freiherrn
von Prandau.
Für die Topographie erarbeitete man Direktivregeln: Das Werk sollte aus einem allgemeinen
Teil mit 19 Hauptpunkten (Name, Lage, Grenzen, geographische Gegebenheiten, Volkscharakter,
Sprache, Staatsrecht etc.) und der eigentlichen Topographie (Beschreibung der Ortschaften)
bestehen. Schon vorhandene Literatur sollte benützt und durch Lokalbereisungen berichtigt
und ergänzt werden. Pilgram nahm 1792 die Landesbereisung auf, verstarb jedoch zu
Beginn 1793. Daraufhin wurde die Abfassung der Topographie dem Piaristenpater und
Historiographen Adrian Rauch übertragen. Im Vorfeld der Reisen wurden Verzeichnisse
der Grundherrschaften und der zugehörigen Orte von den Kreisämtern angefordert und
vorbereitende Fragebögen an die Herrschaftskanzleien und Pfarren übermittelt.
Die Arbeiten Rauchs gingen in den Vierteln UWW, UMB und OMB in den Jahren 1794 bis
1796 zügig voran. Die Bearbeitung des Viertels OWW blieb wegen Verzögerungen seitens
des Kreisamtes und Rauchs Tod 1802 unvollständig. Rauchs Arbeiten, dem die Unterlagen
Pilgrams zur Verfügung gestellt worden waren, bilden den Grundstock und Hauptteil
des Bestandes. Er trug die vor Ort erhobenen Angaben (Lage, Häuser- und Einwohnerzahl,
Landwirtschaft, Größe und Art des Viehbestandes, Handwerk, Fabriken, Bodenschätze,
Bergbau, Pfarrzugehörigkeit) in blaue Aktenbögen ein und verfasste auf dieser Basis
darstellende Ortsbeschreibungen (kleine Quartbögen). Manchmal sind nur diese erhalten.
Erst im 2. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts wurde (ab 1817 unter Josef Freiherrn von
Penkler) das Unternehmen wieder aufgenommen, und zwar mit einer neuerlichen Fragebogen-Erhebung
bei den Grundherrschaften: Diese topographischen Tabellen, im Gegensatz zu den anderen
Materialien meist datiert, enthalten Angaben über die zugehörigen Ortschaften, Häuseranzahl,
Ortsobrigkeit, Poststationen, und bilden den zweiten wichtigen Teil des Bestandes.
Auf Betreiben Penklers kam es 1822 zur Gründung einer "Commission zur Verfassung einer
Topographie des Erzherzogtums Österreich unter der Enns". Um eine breitere Quellenbasis
zu erhalten, wurden nun die Klöster, Herrschaftsbesitzer, Pfarrer, Archivare, Bibliothekare
und Gelehrte zur Mitarbeit und Öffnung der Archive aufgerufen. Einige der damals eingesandten
Abschriften, Abhandlungen etc. wurden dem Bestand (als dritter Teil) angeschlossen.
Die Herausgabe der gedruckten Topographie seitens der Stände kam letztlich nicht zustande.
Die Unterlagen wurden jedoch Franz Schweickhardt für sein topographisches Werk "Darstellung
des Erzherzogthums Österreich unter der Ens" zur Benützung zur Verfügung gestellt.
Quellen und Literatur:
NÖLA, Landstände und Landesausschuss 1793 -1904, Fasz. 36, K. 1-7 (1732 - 1832).
- Elisabeth Loinig, Topographisch-statistische Materialien 1794 bis ca. 1825. In:
Willibald Rosner und Günter Marian (Hg.), Handbuch für Heimat- und Familienforschung
in Niederösterreich (St. Pölten 2008) 120-123.
- Anton Mayer, Die historisch-topographischen Bestrebungen der niederösterreichischen
Stände in den Jahren 1791 bis 1834. In: BllLKNÖ NF 24 (1890) 1-45.
- Anton Mayer, Das Archiv und die Registratur der niederösterreichischen Stände von
1518 bis 1848. In: JbLKNÖ NF 1 (1902) 89-167.
- Max Vansca, Historische Topographie mit besonderer Berücksichtigung Niederösterreichs
= Deutsche Geschichtsblätter 3 (1902).
- Felix Raimann, Die landeskundlichen Bestrebungen der n.ö. Stände in den Jahren 1791
- 1833. Phil. Diss. (Wien 1948).
- Karl Lechner, 1864 - 1964. 100 Jahre "Verein für Landeskunde von Niederösterreich
und Wien" im Rahmen wissenschaftlich landeskundlicher Bestrebungen seit Ende des 18.
Jahrhunderts (Wien 1964) bes. 30-45 (Kap. "Die landeskundlich-topographischen Bestrebungen
der n.ö. Stände seit dem Ende des 18. Jahrhunderts").
- Anton Eggendorfer, Die Besitzerbögen und ihr Verfasser Ignaz Fitzinger. In: NÖLA
Mtg. 5 (1981) 13-21, bes. 16ff.