Der Bestand Pfarrfassionen umfasst 355 Kartons und ist durch das Verzeichnis Nr.52
erschlossen. In Karton 1 - 288 und 329 - 351 liegen die NÖ Pfarren alphabetisch geordnet,
die Kartons 289 - 328 enthalten Wien (bezirksweise geordnet, I. bis XI. und XX. Bezirk)
und Karton 352 - 355 Baupläne für landesfürstliche Pfarren, alphabetisch geordnet.
In den Bestand eingereiht sind weiters Urkunden von Pfarrerrichtungen nach 1945 (im
Verzeichnis mit blauer Farbe eingetragen).
Geschichte und Charakter der Quelle
Nach der Aufhebung von mehr als 700 Klöstern in seinem Reich schuf Joseph II. durch
das Dekret vom 28. Februar 1782 den Religionsfond, der aus dem beweglichen und unbeweglichen
Vermögen eben dieser aufgehobenen Stifte und Klöster gebildet wurde. Ursprünglich
allgemein zur "Förderung der Religion und des Besten des Nächsten" bestimmt, diente
er bald vor allem der Finanzierung der neu geschaffenen Pfarren und der Deckung der
pfarrlichen Einkommen. Die Mittel des Religionsfond erwiesen sich jedoch bereits in
josephinischer Zeit als nicht ausreichend, sodass zur Erhöhung der Einnahmen eine
Art geistliche Aushilfssteuer (Religionsfondsteuer), die von vermögenderen Stiften,
geistlichen Gemeinschaften und später überhaupt von besser bestifteten Pfarren abzuführen
war. Diese Abgabe wurde ab 1874 zu einer allgemeinen Vermögenssteuer für Stifte und
Klöster umgewandelt. Dennoch musste der Religionsfond immer auch vom Staat gestützt
werden.
Aus des Fonds wurden vorerst nur die Einkommen der Pfarrinhaber der neuen josephinischen
Pfarren und Lokalkaplaneien bezahlt. Ihr durch den Relgionsfond garantiertes Einkommen
(Kongrua) betrug 1783 für einen Pfarrer 630 fl und für einen Lokalkaplan 367 fl. (Ein
Lehrer auf dem Land hatte dagegen lediglich ein Mindesteinkommen von 150 fl ! - vgl.
den Beitrag zu den Schulfassionen.)
Später wurden auch ärmere Seelsorger, die auf den sogenannten alten Pfründen eingesetzt
waren, aus dem Religionsfond unterstützt, allerdings höchstens mit der einem Lokalkaplan
zustehenden Summe, wobei von ihnen - ebenso wie auch von den "neuen" Seelsorgern -
ein genauer Nachweis des Pfarrvermögens und -einkommens abzugeben war.
Diese Nachweise oder Fassionen, die heute den Bestand "Pfarrfassionen" bilden, mussten
jährlich bei der NÖ Regierung, die den Relgionsfond verwaltete, eingereicht werden,
dort entschied man über die Höhe der Auszahlung, bzw. über die Höhe einer allfälligen
Religionsfondsteuer. Neben den Ausgaben des Seelsorgers sind darin auch sämtliche
Einkünfte aus dem Pfarrvermögen, aus den Stiftungen und Stolgebühren angeführt. Die
Fassionen können darüber hinaus auch Angaben über Aussehen, Bauzustand und Einrichtungesgegenstände
der Pfarrkirchen und Pfarrhöfe enthalten.
Die Kongrua als Einnahmequelle für die Seellsorger gewann immer mehr an Bedeutung,
sodass viele Pfarrer aus dem Relgionsfond - fast wie Beamte aus öffentlichen Geldern
- bezahlt wurden. Überhaupt zeigen in späterer Zeit die Fassionen immer mehr die Form
von Steuererklärungen.
Die Rechtsstellung des Religionsfond war oft umstritten, da kirchliches Vermögen vom
Staat im Namen der Kirche verwaltet wurde. Unumstritten war aber die rein kirchliche
Zweckbestimmung der Gelder. So hielten auch die Konkordate von 1855 und 1933 streng
am kirchlichen Charakter des Religionsfonds fest.
Diese finanzielle Abhängigkeit der Kirche vom Staat bestand bis in die NS Zeit, als
durch das sogenannte Kirchenbeitragsgesetz vom 28. April 1939 die Leistungen des Staates
für die Kirche fast gänzlich eingestellt wurden. Die Kirche erhielt dafür die Möglichkeit,
sich durch die Beiträge der Gläubigen (Kirchenbeiträge) selbst zu finanzieren (die
dadurch erhoffte generelle Kirchenflucht trat allerdings nicht ein).
Dieses Gesetz markiert auch das Ende des Religionsfonds, der mit Wirkung vom 1. April
1940 für aufgelöst erklärt und seine seine Rechte und Pflichten auf das Deutsche Reich
übertragen wurden.
Das Jahr 1939 bildet daher den Endpunkt des vorliegenden Bestandes.
Nachwort: Nach Kriegsende wurde von der Republick Österreich eine Lösung der Religionsfondfrage
angestrebt, denn noch im Jahr 1953 war das frühere Religionsfondvermögen im Grundbuch
als ehemaliges Vermögen des Deutschen Reiches eingetragen. Nach dem Staatsvertrag
wurde am 20. Dezember 1955 eine Religionsfondtreuhandstelle errichtet, die das Religionsfondvermögen
verwaltete - die forstlich nutzbaren Liegenschaften gelangten unter Verwaltung der
Österreichischen Bundesforste. Erst durch den Vertrag "zur Regelung von vermögensrechtlichen
Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich" (23. Juni 1960
Bundesgesetzblatt 1960, 56. Stück Nr.195) wurde u.a. das Religionsfondvermögen zwischen
Kirche und Staat aufgeteilt. Die beim Staat verbliebenen Liegenschaften blieben bis
heute großteils im Besitz der Österreichischen Bundesforste.
Literatur:
Gesetzliche Bestimmungen über die Errichtung, Verwaltung und Verwendung der Religionsfonde
der im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder. Veröffentlicht im Auftrage
des k.k. Ministers für Cultus und Unterricht (Wien 1871):
Sebastian Ritter, Die kirchliche Vermögensverwaltung in Österreich. Von Patronat und
Kongrua zum Kirchenbeitrag (Salzburg 1954).
Ders., Artikel "Religionsfond" im Lexikon für Theologie und Kirche (Band 8, 1963)
Helmuth Feigl, Die Entwicklung des Pfarrnetzes in Niederösterreich (Wissenschaftliche
Schriftenreihe Niederösterreich 79, 1985)
Herbert Krückel, Zur Einkommenssituation auf den josephinischen Seelsorgeposten in
Westniederöstereich (Diözese St.Pölten) (UH 53, 1982) 180-193.
(von Elisabeth Loinig)