Der Begriff "Landtafel" bezeichnete im Erzherzogtum Österreich unter der Enns zunächst
die Sammlung des Landrechtes, Landesordnungen oder Adelsmatrikel während in Böhmen
und Mähren schon seit dem 14. Jahrhundert die Erfassung des adeligen Grundbesitzes
so genannt wurde.
Als Grundbuch des adeligen Besitzes wurde die Landtafel in Niederösterreich erst 1758
unter Maria Theresia eingeführt (Alte Landtafel) und in diese die im Gültbuch einliegenden
Herrschaften, Gülten und Freihöfe eingetragen.
Ab 1874 wurde die Landtafel, wie alle anderen Grundbücher auch, neu angelegt und nun
als "Grundbuch über landtäfliche Liegenschaften" (Neue Landtafel) bezeichnet. Rubriken
ohne Grundbesitz entfielen. Nach einem Bedeutungsverlust der landtäflichen Güter infolge
der Aufhebung der Grundherrschaft 1848 erlangten sie mit der Einführung des Kurienwahlrechts
1861 neuerlich politische Relevanz, denn das Wahlrecht in der Großgrundbesitzerkurie
wurde an den Besitz landtäflicher Liegenschaften und eine davon zu erbringende Mindeststeuerleistung
gekoppelt.
Die "Neue Landtafel" wurde beim Landesgericht für Zivilrechtssachen im Wiener Justizpalast
geführt, wo dieser Bestand bei der Brandkatastrophe am 15. Juli 1927 weitestgehend
vernichtet wurde.
Nach sogleich aufgenommenen Vorarbeiten wurde die Landtafel bis 1933 wiederhergestellt.
In die rekonstruierte oder erneuerte Landtafel wurden aufgrund der Angaben der Besitzer
der landtäflichen Güter die mit Stichtag 15. Juli 1927 (noch) rechtlich relevanten
Fakten aufgenommen. Die Landtafel für Wien und Niederösterreich wurde zuletzt vom
Bezirksgericht Wien I Innere Stadt geführt. Infolge des Grundbuchumstellungsgesetzes
vom 27. November 1980 (BGBl. 550/1980) erfolgte die Überführung der Daten aus der
Landtafel in die allgemeinen Grundbücher. Die Landtafel wurde 1987/88 geschlossen,
blieb dann zunächst in Verwahrung des Bezirkgerichtes Innere Stadt und wurde schließlich
1997 vom NÖ Landesarchiv übernommen.
Gegenstand der Landtafel waren die "landtäflichen Güter", die sich auf die ehemaligen
Dominikalgründe und -rechte zurückführen lassen. Der Landtafel sind also - in Fortsetzung
der Gültbücher - Angaben über die Eigentumsverhältnisse und den Umfang der landtäflichen
Güter zu entnehmen.
Der im NÖ Landesarchiv befindliche Bestand "Landtafel" umfasst:
-- Die Hauptbücher (1927 - 1987/88), die wie alle anderen Grundbücher aus "Einlagen"
bestehen, die jeweils ein Grundbesitz-(A-)Blatt, Eigentums-(B-)Blatt und ein Lasten-(C-)Blatt
umfassen. Im Unterschied zu den allgemeinen nach Katastralgemeinden angelegten Grundbüchern
konnten die Landtafel-Einlagen recht umfangreich sein und erstreckten sich häufig
über mehrere Katastralgemeinden.
Umfang: EZ 1 - 1047 in 66 Bänden + 2 Fortsetzungsbände (zu einzelnen umfangreichen
EZ).
Bestellung: Angabe der Einlagezahl ("EZ").
-- Die Urkundensammlung (Tagebücher) von 1927 bis 1980. Während der Dauer der Rekonstruktion
der Landtafel wurde die Urkundensammlung provisorisch unter Bezeichnung "Reihungsvormerk"
(Rv) geführt. Die nach 1980 angefallenen Urkunden wurden nicht mehr separat gesammelt,
sondern in die allgemeine Urkundensammlung des BG I eingereiht und befinden sich daher
auch weiterhin dort.
Umfang: 9 Bände Reihungsvormerk (Rv) 1927 - 1933 und 497 Tagebuch-Bände 1931 - 1980.
Bestellung: Angabe von Tagebuchzahl ("TZ"; der entsprechenden Eintragung im Hauptbuch
zu entnehmen; allenfalls Rv) und Jahr!
-- Die im Zuge der Wiederherstellung der Landtafel entstandenen "Anlegungsakten" (Schriftverkehr
mit Eigentümern, Behörden etc., Entwürfe für die Wiederherstellung der Einlagen etc.)
mit einer separaten Sammlung von - wieder beschafften älteren - Urkunden (oft in Abschriften;
"Urkunden zu Anlegungsakten"). Nicht zu allen Einlagezahlen sind Anlegungsakten und
wiederbeschaffte Urkunden vorhanden.
Umfang: Anlegungsakten 126 Kartons (EZ 1 - 761); Urkunden zu Anlegungsakten 11 Kartons
(EZ 1 - 760).
Bestellung: Angabe der Einlagezahl.
-- Eine Sammlung von recht unterschiedlich alten (19. Jh. - 1970er Jahre) und umfangreichen
"Landtafelmappen" jener Katastralgemeinden, in denen sich landtäfliche Parzellen befanden;
bisweilen sind auch nur die entsprechenden Kartensegmente vorhanden.
Umfang: ca. 2080 Mappen
Bestellung: Nummer der Landtafelmappe.
Bei der Benützung der Landtafel ist zu berücksichtigen, dass der Totalverlust der
alten Bestände eine Informationslücke für den Zeitraum zwischen dem Auslaufen der
Gültbücher im Jahr 1892 (die ja auch den Gutsbestand enthielten) und 1927 zur Folge
hat, da in die rekonstruierte Landtafel nur jene - bisweilen auch weiter zurückliegenden
- Daten aufgenommen wurden, die noch rechtliche Wirksamkeit besaßen. Vor der Katastrophe
bereits gelöscht gewesene Eintragungen wurden nicht wiederhergestellt und sind daher
auch nicht mehr ersichtlich!
Nachschlagebehelfe:
-- Personenverzeichnis
-- "Katastralgemeindenbuch": alphabetisch nach Katastralgemeinden. Es enthält die
Einlagezahlen der in jeder Katastralgemeinde vertretenen Gutskörper und die Signaturen
der entsprechenden Landtafelmappen. Da kein alphabetisches Verzeichnis der Landtafelgüter
existiert, kann die EZ der Landtafelkörper nur über das "Katastralgemeindebuch" gesucht
werden (unter der gleichnamigen Katastralgemeinde).
-- Konkordanz der Gültbuch- und der Landtafeleinlagezahlen für die Landtafeleinlagen
1 - 757 (nummerisch geordnet nach letzteren), um 1890.
Bereits früher vom Landesgericht für ZRS abgegebene Landtafel-Archivalien, darunter
auch Reste aus dem Bestand vor 1927, werden im Wiener Stadt- und Landesarchiv verwahrt.
Literaturauswahl:
- Heinrich Bartsch, Die Landtafel in ihrer gegenwärtigen Gestalt. Eine kurze Darstellung
der die Landtafel betreffenden gesetzlichen Bestimmungen mit erläuternden Beispielen
für die Praxis (Wien 1890). Auch URL: http://dlib-pr.mpier.mpg.de/m/kleioc/0010/exec/books/%22101905%22
(22.1.07)
[Bezieht sich zwar auf die um 1880 angelegte und 1927 verbrannte Landtafel, bietet
aber eine umfassende Erklärung der Anlegung und Führung dieses speziellen Grundbuchs].
- Artikel "Landtafel" im Österreich Lexikon aeiou. URL: http://aeiou.iicm.tugraz.at/aeiou.encyclop.l/l165000.htm
(20.1.2007)
- Waltraud Winkelbauer, Die niederösterreichische Landtafel. Einleitung zum Bestandsverzeichnis
(masch., angelegt 1998, überarb. 2007)
- Brigitte Rigele, Staatliche Gerichte = Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und
Landesarchivs A/2/3 (Wien 1993) 9 [Landtafel-Bestände im Wiener Stadt- und Landesarchiv].
- Sigrid Hanna Knaf, Die Entwicklung des landtäflichen Großgrundbesitzes in Niederösterreich
von 1848 bis 1908. Phil. Diss. (Wien 1981).
- Günther Michael Doujak, Die Entwicklung des landtäflichen Großgrundbesitzes in Niederösterreich
seit dem Jahr 1908. Phil. Diss. (Wien 1981).
- (Carl von Gochnat,) Niederösterreichischer Dominien-Schematismus. Ein Handbuch des
ganzen Personalstands von den sämtlichen Dominien in Oesterreich unter der Ens [sic!]
(Wien 1834, 1836, 1838, 1842, 1844-1848).
- Franz Günther, Der niederösterreichische Großgrundbesitz. (Alphabetisch geordnetes)
Nachschlage-Buch über den Eigenthums- und Besitzstand der landtäflichen Güter ...
(Wien 1873, 1875).
- Schematismus des landtäflichen und Großgrundbesitzes von Nieder-Oesterreich : nach
amtlichen Quellen und direkten Angaben bearb. (Wien 1895, 2. verb. Aufl. 1903).
- Ignaz Tittel, Schematismus und Statistik der Großgrundbesitzer in den Erzherzogtümern
Nieder- und Oberösterreich und Herzogtum Steiermark (Prag 1908).
- Jutta Martinek, Materialien zur Wahlrechtsgeschichte der Großgrundbesitzerkurie
in den österreichischen Landtagen seit 1861. Geisteswiss. Diss. (Wien 1977).